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Aus: Ausgabe vom 18.09.2025, Seite 5 / Inland
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

CFM ohne Illusion

Betriebsversammlung bei Charité-Service-Gesellschaft: Tarifvertrag verzögert sich weiter. Arbeitsverdichtung droht
Von Susanne Knütter
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Notwendigkeiten wie das Gebäudemanagement will sich die Charité möglichst wenig kosten lassen

Hier und da ein weißer Kittel. Eine Gruppe ausländischer Studenten versucht sich zu orientieren. Am Eingang des Campus der Universitätsklinik Charité in Berlin-Mitte protestieren Klimaschützer unter dem Namen »Health for Future«. Im Hörsaal der »Inneren Medizin« ist am Dienstag Betriebsversammlung der Charité Facility Management GmbH (CFM). Es ist eine von dreien an verschiedenen Standorten. Die Uniformen der Beschäftigten hier sind blau und rosa. Ihre Gesichter abgeklärt. Sie hatten in diesem Jahr wochenlang gestreikt und im Juni schließlich eine Einigung erzielt, die ihnen endlich die Angleichung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) zusichert.

Eine Reinigungskraft (in der Unterhaltsreinigung) mit drei Jahren Berufserfahrung sollte demnach zum 1. Juni dieses Jahres gut 234 Euro zusätzlich bekommen. Bis 2030 würde sie entsprechend der Einigung geschätzt gut 855 Euro mehr erhalten. So groß ist der Unterschied zu den Kollegen, für die der TVöD gilt. Für die für ein Krankenhaus so wichtigen Tätigkeiten wie Transport, Reinigung, Küche, Labor und Technik galt der öffentliche Tarif seit 2006 nicht mehr, weil sie in die CFM ausgegliedert wurden. Ebenso lange kämpfen die Kolleginnen und Kollegen für gleiche Arbeitsbedingungen.

Nun verzögert sich am Klinikum die Sache weiter. Die Geschäftsführung versichert auf der Betriebsversammlung zwar, dass die vereinbarten Erhöhungen auf jeden Fall rückwirkend gezahlt würden. Zuvor müsse aber noch der Tarifvertrag geschrieben werden. Denn den gibt es noch gar nicht. Der Grund: In den Redaktionsverhandlungen machte das Management plötzlich neue Punkte auf, die es in sich haben. Die vereinbarte 300-Euro-Einmalzahlung solle mit der 250-Euro-Zahlung aus dem Frühjahr verrechnet werden. Die Erhöhungen im TVöD, die das nächste Mal 2027 zu erwarten sind, sollen für die CFM immer erst mit einem Jahr Verzögerung gelten. Den CFM-Beschäftigten soll das Streikrecht bei TVöD-Verhandlungen verwehrt werden. In den Reihen des Hörsaals am Charité-Campus Unverständnis und Raunen: »Dieses Jahr also keine Weihnachtsgeschenke.«

Damit nicht genug. Es werden weniger Leute eingestellt. In der Vergangenheit gab es stets an die 100 Stellenausschreibungen, sagt Sascha Kraft vom Betriebsrat gegenüber jW. Momentan sind es an die 20 gleichzeitig. CFM-Geschäftsführerin Juliane Kaufmann bestätigt das auf der Betriebsversammlung. Es gebe nicht mehr den »gewohnten Automatismus«. »Wir schauen uns jede Einstellung genau an.« Aus Sicht von Kraft ist das ein Zeichen dafür, Personal einzusparen, Arbeit zu verdichten und so den Tarifabschluss zu kompensieren. Dazu könnte auch passen, dass der Bereich »Bau und Planung« im kommenden Jahr von der CFM in den Mutterkonzern Charité verlagert wird.

Nach dem Auftritt der Geschäftsführung verlässt ein großer Teil der Besucher den Saal. Noch mal mehr gehen, als die SPD-Abgeordnete Bettina König als Rednerin angekündigt wird. Vielleicht deshalb: Der CDU-SPD-Senat könnte dem Ringen um die vollständige Rückführung der Servicetochter in Berlins größtes Krankenhaus sofort ein Ende machen. Das Ziel steht im Koalitionsvertrag. Passieren wird das trotzdem nicht.

Ein CFM-Kollege drückte seine Desillusionierung, die sich über Jahre bei der Arbeit an verschiedenen Arbeitsstellen eingestellt hat, im jW-Gespräch so aus: »Die Firma ist wie ein Mensch, auf den Kopf gestellt. Unten ist das Hirn, oben das Arschloch. Und das ist überall so.« Am Rande des Campus ist das Apartmenthotel Adina, wo regelmäßig externe Ärzte und Professoren eine Zeitlang unterkommen. Am Seitenausgang sitzen zwei Hotelbedienstete und machen Pause. Eine raucht, einer isst. Direkt neben den Mülltonnen.

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