Spahn zieht die Nazikarte
Von Philip Tassev
Die Grünen noch an der Regierung beteiligt waren, fielen sie regelmäßig als entschlossene Apologeten von Israels völkermörderischem Krieg gegen die Palästinenser auf. Unvergessen, wie Annalena Baerbock als Außenministerin selbst Krankenhäusern und Schulen in Gaza den Schutzstatus absprach. Nun, zurück in der parlamentarischen Opposition, blinkt die grüne Partei wieder ein bisschen »links«.
Grünen-Chefin Franziska Brantner forderte am Mittwoch die Merz-Regierung zur Unterstützung eines härteren Vorgehens der EU gegen die israelische Regierung auf. Die Bundesregierung müsse ihre Blockade aufgeben, sagte Brantner der dpa. »Appelle und Aufforderungen werden der Situation in Gaza und auch der Westbank nicht mehr gerecht, auch die Situation der Geiseln wird jeden Tag hoffnungsloser«, erklärte Brantner. Sie stellte sich damit hinter den Appell der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas, die die deutsche Regierung dazu aufgerufen hatte, die EU-Pläne für Handelssanktionen gegen Israel zu unterstützen oder alternativ andere Maßnahmen vorzuschlagen.
Auch aus der mit historisch schlechten Zustimmungswerten kämpfenden SPD kamen ähnliche Töne. Im Deutschlandfunk sagte der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic: »Deutschland sollte seine Blockadehaltung aufheben, denn fast jeder andere europäische Staat tut das.« Die Ausweitung des Krieges mit dem israelischen Einmarsch in Gaza-Stadt sei inakzeptabel und ein weiterer Bruch des Völkerrechts.
Unionsfraktionsvize Jens Spahn kann Sanktionsforderungen nichts abgewinnen. »Was ist denn dann die Folge? ›Kauft nicht mehr bei Juden‹? Das hatten wir alles schon mal«, bemühte Spahn am Mittwoch im ZDF-»Morgenmagazin« wieder einmal das abgedroschene Narrativ der Gleichsetzung von Kritik am Staat Israel mit dem eliminatorischen Antisemitismus der Hitlerfaschisten. Der CDU-Politiker sitzt auch im Beirat des »American Jewish Commitee Berlin«, einer Organisation, die nach eigener Darstellung »seit Jahrzehnten« daran arbeitet, dass die deutsch-israelischen Beziehungen »nicht nur weiter bestehen, sondern intensiviert und ausgeweitet werden«.
Weiter sagte Spahn: »Wir wissen, wo der Terror herkommt«, aber meinte damit die Hamas, die Israel vernichten wolle und daher »ein legitimes Kriegsziel« sei.
Spahns Parteikollege Thomas Strobl, Innenminister von Baden-Württemberg, sieht den »Terror« hingegen schon auf Deutschlands Straßen. Zu Bild sagte er am Dienstag: »Derzeit sehen wir wieder linksextremistischen Terror in Deutschland. Wir stehen vor enormen sicherheitspolitischen Herausforderungen in dem Bereich. Dazu zählt für mich ausdrücklich der Bereich des Antisemitismus: Auch hier stehen wir mindestens an der Schwelle zum Terror.«
Strobl bezog sich auf eine Aktion in seinem Bundesland: Am Morgen des 8. September waren einige Aktivisten der Gruppe »Palestine Action Deutschland« in eine Niederlassung der israelischen Rüstungsfirma Elbit in Ulm eingedrungen, hatten Elektronik unbrauchbar gemacht, Feuerlöscher in dem Raum entleert, Graffiti wie »Babykiller« auf Tische und Wände gesprüht und eine Rauchbombe gezündet. Es entstand zwar ein nicht unerheblicher Sachschaden für die israelische Waffenschmiede, es wurde aber kein Angestellter der Firma durch die Sabotageaktion verletzt.
Zur »wissenschaftlichen« Unterstützung von Strobl führte Bild noch einen »Terrorexperten« an, den österreichischen Politikwissenschaftler Nicolas Stockhammer. Der arbeitet eng mit der Denkfabrik »Europäisches Institut für Terrorismusbekämpfung und Konfliktprävention« zusammen, die vom Ex-FPÖ-Politiker Herbert Scheibner geführt wird. Zu Bild sagte Stockhammer, auch er würde – wie Strobl – »von Terror, also einer politischen, extremistischen Ausrichtung auch gegen Leib und Leben anderer reden«. Es sei »eine Symbiose zwischen Linksextremisten und Islamisten« zu beobachten, »etwa beim Thema Gaza, Antizionismus, Antisemitismus und Israel-Feindlichkeit«. Die »hohe Anschlussfähigkeit« beider Ausrichtungen habe »eine relevante Größe« erreicht.
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