Rechenschaft ablegen
Von Knut Mellenthin
Am Sonntag hat in Doha das vermutlich größte und wichtigste Gipfeltreffen begonnen, das jemals in der islamischen Welt stattfand. Es soll am Montag mit der Verabschiedung einer Deklaration abgeschlossen werden. Eingeladen hat Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani, der Emir von Katar. Erwartet werden führende Politiker der 22 Mitglieder der Arabischen Liga und der 57 Mitglieder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit.
Anlass des Treffens ist der israelische Angriff auf Doha am Dienstag voriger Woche, dessen Ziel die Ermordung mehrerer dort lebender Führungsmitglieder der Hamas war. Am Mittwoch landete Scheich Mohammed bin Sajid Al Nahjan, der Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate (UAE), die sich bisher als Pioniere der »Normalisierung« der Beziehungen zu Israel hervorgetan hatten, mit einer großen Delegation zu einem Solidaritätsbesuch in Katar. Ihm folgte am selben Tag der jordanische Kronprinz Hussein. Am Donnerstag reiste auch Mohammed bin Salman an, Kronprinz und De-facto-Regent Saudi-Arabiens.
Die Konstellation des Nahen und Mittleren Ostens hat sich verändert, seit eine Reihe arabischer Staaten mit Saudi-Arabien an der Spitze im Juni 2017 eine Kampagne gestartet hatte, mit der das Fürstentum Katar als angeblicher Terrorhelfer angeprangert und isoliert werden sollte. Erst im Juni 2024 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen den UAE und Katar wieder vollständig aufgenommen.
Die Herrscher des Fürstentums spielen in Konflikten der Region eine von den Kontrahenten akzeptierte Vermittlerrolle. Sie verweisen darauf, dass sie den Wünschen mehrerer US-Regierungen entsprochen hätten, als sie Hamas-Politiker wie Khaled Meschal als Gäste im Exil aufnahmen. Im Juni 2013 durften die afghanischen Taliban in Doha ein Auslandsbüro etablieren, weil der damalige US-Präsident Barack Obama einen Ansprechpartner für Verhandlungen brauchte. Das Fürstentum hat den offiziellen Status eines »strategischen Partners« der USA. Noch bei seinem Besuch im Mai unterzeichnete Donald Trump in Doha mehrere Verteidigungsabkommen. Dass verbündete arabische Staaten trotzdem nicht vor israelischen Aggressionen geschützt sind, wird als Gesichtsverlust der USA wahrgenommen.
Was in der Abschlussresolution stehen wird, ist offen und ist vielleicht Gegenstand kontroverser Debatten. Die Wahl der Worte und Handlungen wird an der Ungeheuerlichkeit der Aggression Israels und seiner offenbar nicht einzudämmenden Verachtung für das internationale Recht gemessen werden. Falls das Gipfeltreffen enden sollte, ohne dass die von einigen arabischen Staaten offen vollzogene und von anderen kaum verborgen angestrebte »Normalisierung« der diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel widerrufen beziehungsweise auf Eis gelegt wird, dürfte das Treffen in Doha als verpasste Gelegenheit gelten.
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