Gegründet 1947 Sa. / So., 13. / 14. September 2025, Nr. 213
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 13.09.2025, Seite 5 / Inland
Stahlindustrie

Flüssig in die Tarifrunde

In der Stahlindustrie stehen Verhandlungen an. Die IG Metall stellt keine bezifferte Forderung auf, sondern appelliert an »Verantwortung« der Konzerne
Von David Maiwald
5.jpg
Daher das Wortspiel: Die IG Metall will keine »Nullrunde«, wirklich fordern will sie aber auch nicht

Flüssig bleiben: In die Tarifrunde in der Stahlindustrie geht die IG Metall ohne bezifferte Forderung. Der Vorstand der mitgliederstärksten DGB-Gewerkschaft stimmte dem entsprechenden Beschluss der Tarifkommission am Freitag zu. Was diese zuvor präsentiert hatte, war sicher keine Kampfansage: Man übergebe den Stahlverbänden »ein Paket der Verantwortung«, das, so erklärte der IGM-Vorstand am Freitag, eine »Garantie der Reallöhne und Beschäftigung« enthalten müsse.

Hoffentlich rinnt ihnen das, um beim Bild zu bleiben, nicht durch die Finger. Reallöhne zu sichern ist durch die drastischen Preissteigerungen seit 2022 besonders schwierig. Auch eine Lohnanhebung in Höhe der aktuellen Teuerung – keine »Nullrunde«, wie es IGM-Tarifvorständin Nadine Boguslawski am Freitag beschrieb – schafft wohl keinen realen Ausgleich. Die IG Metall schaut aber aufs große Ganze, fordert nach den Worten von Vorstandsmitglied Jürgen Kerner unter anderem Schutz vor günstigem Stahl »aus Asien«, was chinesische Konkurrenz adressieren dürfte.

»Kaufkraft für Kollegen und Konjunktur«, fasste Boguslawski am Freitag zusammen. Ausdrücklich sind also Branche und Volkswirtschaft gemeint. Die Löhne seien »allein aus wirtschaftlicher Vernunft« schon zu sichern, wie IGM-Verhandlungsführer Knut Giesler in einer Mitteilung erklärte: »Es wäre absurd, bei konjunktureller Schwäche und wegbrechenden Exportmärkten auch noch die Binnennachfrage abzuwürgen.« Die Stahlindustrie als Teil im großen Ganzen befinde sich mit »viel zu hohen Energiepreisen und der massiven Kostenbelastung durch die Transformation zu grünem Stahl« in einer »Polykrise«.

»Krise kann jeder«, sagt Karsten Kaus im jW-Gespräch am Freitag, spöttisch, und doch ernst. Denn die Stahlproduktion sei »sicherheitsrelevant«, erklärte der IGM-Bevollmächtigte für Duisburg und Dinslaken. Das sei volkswirtschaftlich gemeint, bedeute keinesfalls, mehr Rüstungsproduktion zu fordern. »Denn das halten wir für falsch, und die Scharfmacher, die das behaupten, wollen wir nicht unterstützen.« Bis zu 70 Prozent der Stahlproduktion entfielen allein auf die Autobranche, hinzu kämen »eine schwache Bau- und Maschinenbaubranche«, erklärt Kaus: »So viele Panzer können sie gar nicht bauen, um das auszugleichen.« Mit mehr als 550 Beschäftigten war der Gewerkschafter zuvor vor dem Stahlwerk von Arcelor-Mittal im Duisburger Innenhafen aufmarschiert.

Denn das Werk des belgischen Konzerns mit insgesamt 850 Stahlarbeitern stehe wie die Branche da, so Kaus gegenüber jW. Die wiederum steht beispielhaft für die Krise der BRD-Wirtschaft. Die Herstellung von »grünem Stahl« hat Arcelor-Mittal vorerst abgeblasen, eigentlich die große Branchenhoffnung. »Unser Stahl geht baden« ist daher das Motto des Protests – was etwa 60 Kollegen am Freitag mit einem Sprung ins Wasser des Hafenbeckens zeigten. Das adressiere Politik und Unternehmen gleichermaßen: Damit sich Investitionen in Zukunftstechnologie auszahlen, seien bessere Rahmenbedingungen nötig, »vor allem bei den Energiepreisen«. Flüssig bleiben.

Renditeschnitte für Investitionen zu fordern funktioniere nicht: »Keines der Unternehmen macht gute Geschäfte«, so Kaus im jW-Gespräch. Die erste Gesprächsrunde der Gewerkschaft mit dem Kapitalverband Stahl startet am Dienstag in Düsseldorf. Betroffen sind der IG Metall zufolge zunächst »Nordwest- und Ostdeutschland«, 68.000 der insgesamt 82.000 Stahlkocher bundesweit. Mit dem Stahl-Verband Saar sollen im November Verhandlungen folgen. Für Nordwest und Ost endet die Friedenspflicht mit dem 30. September. Sollte es in der kommenden Woche nicht zu einer Einigung kommen, sind ab dem 1. Oktober Warnstreiks möglich.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro