Monopolrendite gesichert
Von Sebastian Edinger
Die EU-Kommission war sich augenscheinlich der politischen Brisanz der vergangene Woche gegen Google verhängten Kartellstrafe bewusst. So verzögerte sich die eigentlich für Montag geplante Urteilsverkündung, dem Vernehmen nach auf Betreiben von Handelskommissar Maroš Šefčovič. Am Donnerstag trat dann seine für das Wettbewerbsrecht zuständige Kollegin, Teresa Ribera, doch noch vor die Kameras und ließ die Öffentlichkeit wissen, der Techkonzern müsse wegen Wettbewerbsverzerrung 2,95 Milliarden Euro Bußgeld zahlen.
Nach der Urteilsverkündung zeigte sich, das Zögern hatte seinen Grund. Die wütende Reaktion von US-Präsident Donald Trump ließ nicht lange auf sich warten. Die Maßnahme sei »sehr unfair«, er könne nicht zulassen, dass »dem herausragenden und einzigartigen amerikanischen Erfindergeist so etwas angetan wird«, die EU müsse ihr Vorgehen gegen US-Unternehmen »sofort« beenden, verlautbarte er auf der Onlineplattform Truth Social. Gedroht wurde mit weiteren Zöllen. ZDF-Korrespondent David Sauer fürchtet sogar, dass Trump wegen des Google-Urteils »konkret die Rolle neu interpretiert, wie die USA bislang Europas Sicherheit gewährleisten«.
Vorgeworfen wurde dem Techkonzern in dem Kartellverfahren, den Wettbewerb in der Ad-Tech-Branche, also unter den Anbietern digitaler Werbetechnologien, zu verzerren. Google habe seine eigenen Technologiedienste für Onlinewerbeanzeigen, insbesondere Ad Exchange, systematisch bevorzugt und somit konkurrierende Anbieter geschädigt. Laut dem Urteil hat der Konzern nun 60 Tage Zeit, das Fehlverhalten zu beenden und »Maßnahmen zur Abstellung der inhärenten Interessenkonflikte entlang der Ad Tech-Wertschöpfungskette zu ergreifen«. Googles Leiterin für Regulierungsangelegenheiten, Lee-Anne Mulholland, hat umgehend angekündigt, Berufung einzulegen – und dürfte dabei auch auf Unterstützung aus dem Weißen Haus hoffen.
Dass der Tech-Gigant einlenkt und die geforderten Maßnahmen umsetzt, ist unwahrscheinlich. Zu lukrativ ist die Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung. Zuletzt beliefen sich die Jahresumsätze des Mutterkonzerns Alphabet auf 336 Milliarden US-Dollar, der Gewinn auf 102,5 Milliarden. 77,8 Prozent davon gehen auf Werbeeinnahmen zurück. Diese sind zwar in den Geschäftsberichten nicht weiter aufgeschlüsselt. Klar ist aber: Im Vergleich zu den Monopolrenditen, die Google auch dank der Diskriminierung der Konkurrenz abschöpfen kann, sind die Strafzahlungen Peanuts. Auch die vier vorangegangenen Milliardenstrafen der EU konnten das Unternehmen nicht zu substantiellen, wettbewerbsstärkenden Maßnahmen bewegen.
In den USA ging es zuletzt in einem Kartellverfahren nicht mehr nur um Bußgelder, sondern um die Frage, ob Google zerschlagen werden müsse, um einen fairen Wettbewerb auf dem Suchmaschinenmarkt zu ermöglichen. Das US-Justizministerium hatte vergangenes Jahr den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung festgestellt und Klage erhoben. Als mögliche Konsequenz wurde die Abspaltung des Chrome-Browsers oder der Android-Dienste in Erwägung gezogen. Zentraler Vorwurf war, Google bezahle Anbieter von Browser- und Betriebssystemen dafür, dass diese die Google-Suchmaschine bevorzugen. So sichere der Konzern seiner Suchmaschine dauerhaft einen Marktanteil von 90 Prozent.
Das vergangene Woche in Washington verkündete Urteil fiel dann milder aus. Der Konzern wurde verpflichtet, bestimmte Daten mit seinen Wettbewerbern zu teilen, etwa Suchindex- oder aggregierte Nutzerdaten. Zudem wurde ihm untersagt, wettbewerbsschädigende Exklusivverträge mit Geräteherstellern oder Browser-Entwicklern abzuschließen. Darüber dürfte mancher Wettbewerber allerdings nicht glücklich sein. So machen etwa die Google-Zahlungen für Bevorzugung im Firefox-Browser rund 85 Prozent der Gesamteinnahmen des Betreibers, der Mozilla-Foundation, aus. Auch Apple profitierte zuletzt enorm: Schätzungen zufolge erhält der Konzern jährlich zehn bis 20 Milliarden US-Dollar für die Vorzugsbehandlung der Google-Suchmaschine.
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