Regression der Depression
Von Felix Bartels
Depressionen sind Kopfsache. Sie kommen aus dem Hirn, und sie können verschwinden, wenn das Hirn gegen sie tätig wird. Dass kognitive Verhaltenstherapie veritable Veränderungen im Gehirn bewirken kann, die sich lindernd auf Depressionen auswirken, wurde schon länger vermutet. Nun haben Forscher um Esther Zwiky von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg den Zusammenhang nachgewiesen.
Rund 5,3 Millionen Menschen in Deutschland litten im Jahr 2024 an leichten (ICD.10, F32.0), mittelgradigen (F32.1) oder schweren (F32.2 und F32.3) depressiven Episoden, was 8,2 Prozent der Bevölkerung zwischen 18 und 79 Jahren entspricht. Frauen waren dabei doppelt so oft erkrankt wie Männer. Die Betroffenen leiden »unter gedrückter Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Die Fähigkeit zu Freude, das Interesse und die Konzentration sind vermindert. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Sogar bei der leichten Form kommen Schuldgefühle oder Gedanken über eigene Wertlosigkeit vor« (ICD-10). Und Depression lässt sich nicht nur psychologisch, sondern auch physiologisch beschreiben, als Veränderung des Gehirns. Das Gleichgewicht von Hirnbotenstoffen ist gestört, oft schrumpfen die Bereiche für die Verarbeitung von Emotionen – Hippocampus und Amygdala vor allem. Wo Depression therapiert wurde, war demnach auch eine Normalisierung dieser Veränderung messbar. Als Wirkung von Medikation oder auch von Elektrostimulation, wobei Magnetfelder die Hirnaktivität beeinflussen.
Zwiky und ihren Kollegen ist der Nachweis gelungen, dass auch Gespräche im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie veritable Auswirkungen auf das Gehirn haben können, also nicht lediglich einen besseren Umgang der Betroffenen mit ihrem Gefühlshaushalt bewirken, sondern dessen Voraussetzungen physiologisch verändern. Hierfür scannte man mittels struktureller Magnetresonanztomographie die Gehirne von 30 Patienten, die an akuten Episoden litten, im Ablauf von 20 Therapiesitzungen, jeweils einmal davor und einmal danach. Dabei wurden Veränderungen von Form, Größe und Lage der grauen Hirnmasse dokumentiert. Eine Kontrollgruppe von 30 gesunden Personen ohne Therapie war ebenfalls Teil der Versuche. In der Amygdala und im vorderen rechten Hippocampus von Versuchspersonen mit Depressionen nahm das Volumen der grauen Hirnmasse mit Lauf der Therapie deutlich zu. Zudem sind bei 19 der 30 Patienten nach der Therapie Depressionserscheinungen zurückgegangen.
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Natur & Wissenschaft
-
Zerstörtes Kulturerbe
vom 02.09.2025