Gegründet 1947 Freitag, 29. August 2025, Nr. 200
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 28.08.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
LAP Coffee

Schöner Schein zum kleinen Preis

Investorenstarke Kette LAP Coffee bietet »fairen« Kaffee für 1,50 Euro. Konkurrierende Cafés in Berlin befürchten Verdrängung
Von Gerrit Hoekman
9.jpg
Jung, hip, weg mit euch: LAP drängt mit Dumpingpreisen auf den Markt

Wie kann das funktionieren? Der Weltmarktpreis für Kaffee ist hoch wie nie, aber das Berliner Startup LAP Coffee bietet einen Becher Cappuccino für 2,50 Euro und einen Espresso für 1,50 Euro an. Die Kette expandiert. Innerhalb von nur zwei Jahren eröffnete sie in Berlin mehr als ein Dutzend Filialen und ist mittlerweile auch in München präsent. Nun will man Hamburg erobern. Kleine, inhabergeführte Kiezcafés fürchten wegen der Dumpingpreise um ihre Existenz.

Die Abkürzung LAP steht für »Life Among People«, also »Leben unter Leuten«. Laut Eigenwerbung treffen sich bei der neuen Kaffeekette »Fahrradkuriere, Studenten der Gen Z und lokale Künstler«. Vor allem trifft man aber haufenweise sogenannte Influencer, die in den sozialen Medien mit verzücktem Blick und vielen Boahs und Ahs kritiklos so ziemlich alles anpreisen. Die Kaffeekette soll der neue hippe Hotspot in Berlin und München sein, gaukeln die Beeinflusser ihren Followern vor, und diese folgen wie die Lemminge. Daneben sorgen Veranstaltungen mit Datingportalen und mit Kooperationspartnern aus der Kosmetik- oder Modebranche, die in und vor den Filialen stattfinden, dafür, dass LAP ständig im Gespräch bleibt.

Gründer der Kette sind Tonalli Arreola und Ralph Hage, zwei Urgesteine der Lieferservicebranche. Arreola war vorher beim Lieferdienst Flink, Hage kommt von Delivery Hero – zwei Unternehmen, die sich in Sachen Arbeitermitbestimmung nicht mit Ruhm bekleckert haben. Mit juristischen Tricks und allerlei Schikanen versuchten sie Betriebsräte zu verhindern.

Das »Leben unter Leuten« findet bei LAP in erster Linie auf dem Bürgersteig statt. Entweder die Kunden warten in einer langen Schlange darauf, dass sie drankommen oder sie stehen hinterher in Grüppchen mit ihren Pappbechern auf dem Gehweg. Die Ladenlokale sind winzig klein, Sitzmöbel rar. LAP betreibt seine Filialen bevorzugt in ehemals alternativen Bezirken wie Kreuzberg und Prenzlauer Berg, in denen Alteingesessene seit vielen Jahren Opfer zunehmender Gentrifizierung sind. Die Kette bezieht ihr Produkt sogar von der Berliner Rösterei 19 Grams, die Nachhaltigkeit und faire Preise für die Farmer vor Ort verspricht.

LAP hat folglich nicht nur Fans. »Wir versuchen seit Jahren zu zeigen, wie wertvoll Kaffee ist und warum er seinen Preis hat«, sagte Philipp Reichel Ende Juli bei rbb24. »Eine Tasse Kaffee muss so viel kosten, dass alle Beteiligten davon leben können, von den Produzenten bis zum Café«, findet der Cafébetreiber und Gründer des Röstkollektivs Communal Coffee. Bei ihm koste der Cappuccino 3,50 Euro.

Reichel hat allerdings auch keine milliardenschweren Investoren im Hintergrund wie LAP Coffee. Zuletzt stieg Insight Partners aus New York ins Boot, berichtete kürzlich die Website deutsche-startups.de. Davor konnte die Kaffeekette bereits die deutsche HV Capital, Food Labs aus Berlin, Roundtable aus Frankreich und Origins Ventures aus den USA als Geldgeber für sich gewinnen. Sie alle versprechen sich eine rasche Rendite. Reichel befürchtet, »dass LAP Coffee in den nächsten Jahren immer präsenter werden und viele Geschäfte verdrängen wird«.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Regio:

Mehr aus: Kapital & Arbeit

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro