Sagt nein!
Von Philip Tassev
Es ist soweit: Am Mittwoch ist in Unterlüß am Rande der Lüneburger Heide das neue Rheinmetall-Werk offiziell eröffnet worden. Rund 350.000 Artilleriegeschosse sollen hier künftig jährlich Europas größte Munitionsfabrik verlassen. Passend dazu zeigen gleichentags veröffentlichte Zahlen: Deutsche Rüstungsexporte befanden sich bereits im vergangenen Jahr auf einem Rekordhoch. Dem am Mittwoch von der Bundesregierung abgesegneten Rüstungsexportbericht 2024 ist zu entnehmen, dass in jenem Jahr Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegsgerät im Wert von rund 12,83 Milliarden Euro erteilt wurden. Davon entfiel die übergroße Mehrheit von 86 Prozent auf Genehmigungen für die Lieferung an Verbündete in EU und NATO sowie »NATO-gleichgestellte Länder«, an Südkorea, Singapur – und den Hauptempfänger deutscher Waffen: die Ukraine. Waffen, Munition und Ausrüstung im Wert von über acht Milliarden Euro erhielt Kiew im vergangenen Jahr für seinen Stellvertreterkrieg gegen Russland.
Genutzt hat das alles nichts. Der Russe ist einfach nicht aufzuhalten, die Ukraine droht, als Absatzmarkt deutscher Rüstungskonzerne auszufallen. Zum Glück für die Waffenschmieden möchte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) aus der Bundeswehr die »stärkste konventionelle Armee Europas« machen. Die Beschaffung läuft bereits auf Hochtouren, nur der »menschliche Faktor« lässt in den Augen der Herrschenden noch zu wünschen übrig. Aber auch hier hat die Bundesregierung am Mittwoch Fakten geschaffen – mit dem »Wehrdienstmodernisierungsgesetz«.
Bevor er sich mit seinem Parteichef, Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), auf den Weg zur Werkseröffnung in Unterlüß machte, erläuterte Verteidigungsminister Boris Pistorius im Bendlerblock vor Journalisten noch einmal den Zweck des »Neuen Wehrdienstes«: bis zum Ende des Jahrzehnts eine Reserve von 200.000 Mann aufzubauen, zusätzlich zu einer 260.000 Soldaten umfassenden aktiven Truppe. Alles ganz freiwillig, versteht sich.
Dass das so neu nicht ist, musste allerdings auch Pistorius zugeben. Die Wehrdienstpläne seien im Grunde »nichts anderes als die alte Erfassung«. Der Gesetzentwurf sieht vor, allen Männern und Frauen ab ihrem 18. Geburtstag einen Fragebogen zukommen zu lassen, in dem sie ihre Qualifikationen, Interessen sowie die Bereitschaft zum Militärdienst angeben sollen. Die Abfrage soll mit dem Jahrgang 2008 beginnen und die Beantwortung für Männer verpflichtend sein. Vorgesehen ist zudem, ab Juli 2027 auch die Musterung für Männer zur Pflicht zu machen.
Sowohl Merz als auch Pistorius waren am Mittwoch bemüht, jene »Kritiker«, die dieser Salamitaktik nichts abgewinnen können und auf eine rasche Wiedereinführung der Wehrpflicht drängen, zu beschwichtigen. Der nun beschlossene Gesetzentwurf sei nur der erste Schritt, zunächst müsse man wieder ausreichend Kasernen und die zur Erfassung benötigte Infrastruktur zur Verfügung haben. Erst wenn sich herausstellen sollte, dass sich diese Kasernen alleine mit Freiwilligen nicht füllen lassen, werde man zur Verpflichtung übergehen.
Die Voraussetzungen werden schon jetzt geschaffen. So werden auch die Jahrgänge vor 2008 erfasst, »um im Ernstfall ein umfassendes Lage- und Datenbild zu haben«. In der Mitteilung des Ministeriums heißt es dazu: »Sofern die verteidigungspolitische Lage einen kurzfristigen Aufwuchs der Streitkräfte erfordert, soll die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestags die Einberufung zum Grundwehrdienst beschließen können«.
Um »umfassende Lagebilder« geht es auch in dem zweiten »historischen« Kabinettsbeschluss vom Mittwoch: Die BRD soll einen »Nationalen Sicherheitsrat« bekommen. Das Gremium »wird eine zentrale Plattform der Bundesregierung für übergreifende Fragen nationaler Sicherheit sein«, erklärte Merz nach der Kabinettssitzung.
Gegen diese kriegsvorbereitenden Maßnahmen regt sich Widerstand, wenn auch noch recht zaghaft. Etwa 70 Antimilitaristen leiteten am Mittwoch in Köln die vom Bündnis »Rheinmetall entwaffnen« ausgerufenen Aktionstage ein – mit der Blockade des örtlichen Karrierecenters der Bundeswehr. Bündnissprecher Luca Hirsch dazu: »Hier werden die Karrieren jedes einzelnen Offiziers geplant. Sobald die Wehrpflicht wieder eingeführt ist, werden hier auch die Rekrutierungen organisiert. Deshalb sind wir heute schon hier, um klar zu sagen: Wir sind nicht kriegsbereit!«
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