Insolvenzkrise in Österreich
Von Oliver Rast
Optisch tipptopp: Das Haar mit leicht graumeliertem Ansatz ist streng nach hinten gegelt, der Blick mit nussbrauner Iris fest, Oberlippen- und Kinnbart sind akkurat gestylt. So sieht er sich gerne: der Wiener Immobilieninvestor Klemens Hallmann. Doch das Selbstbild trügt. Hallmann – eine Art René-Benko-Verschnitt – hat sich verzockt und am Dienstag Privatinsolvenz angemeldet, berichtete der Standard gleichentags. Genaugenommen einen Antrag gestellt auf Einleitung eines Schuldenregulierungsverfahrens mit Eigenverwaltung beim Handelsgericht Wien.
Gläubiger stehen bei Hallmann Schlange: 102 fordern insgesamt rund 95 Millionen Euro. Davon entfallen 75 Millionen auf Bürgschaften. Seine Aktiva, sprich sein üppiges Restvermögen: 5,865 Millionen Euro – darunter Aktien, Kunst und Liegenschaften, meldete der ORF am Dienstag online. Hallmann bietet laut Presseaussendung seinen Geldgebern eine sogenannte Sanierungsquote von 30 Prozent, zahlbar binnen zwei Jahren. Die Hallmann Holding bleibt unangetastet.
Managementfehler, Missmanagement? Nicht für den Verursacher des unternehmerischen Desasters, nicht für Hallmann. Ein »toxisches Marktumfeld« sei hingegen der Grund, meint er. Ein Umfeld, »das in den letzten Monaten zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen geführt hat«. Ferner nennt der Bankrotteur »strukturelle Veränderungen im Finanzierungsumfeld«, die der »angespannten Lage auf den Kapital- und Immobilienmärkten« geschuldet seien. Hallmann plane nun, Vermögenswerte geordnet zu verkaufen, vorrangiges Ziel sei es, die Gläubigerinteressen »bestmöglich zu wahren«. Bemerkenswert: Hallmanns Besitzstand soll früheren Schätzungen zufolge bei mehr als einer Milliarde Euro gelegen haben, womit er zu den 100 reichsten Österreichern zählte.
Fraglos, der Immobiliensektor steht unter Druck. Hohe Zinsen, teure Kredite, sinkende Nachfrage. Bereits im April ging Hallmanns Bauträger-Tochter Süba AG mit 226 Millionen Euro Schulden in die Insolvenz, berichtete APA am Dienstag. Die Beteiligung wurde inzwischen verkauft. Ein Rückzug mit kalkuliertem Schaden.
Und: Hallmann ist nicht allein. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen steuert in Österreich auf ein neues Rekordniveau zu, berichtete Die Presse am Dienstag. Bereits 2024 wurde mit 6.587 Fällen ein Höchststand erreicht – jener dürfte nochmals übertroffen werden. Im ersten Halbjahr stieg die Zahl der zahlungsunfähigen Firmen auf 3.419 Fälle: ein Plus von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei betrifft es vermehrt auch »Leitbetriebe« – etwa die oberösterreichische Haka Küche GmbH mit Sitz in Traun. 158 Beschäftigte sind betroffen. Die Löhne für Juli wurden nicht mehr ausgezahlt. Die Schulden: 11,4 Millionen Euro. Die Aktiva: 2,16 Millionen. Die angebotene Quote im Rahmen eines Sanierungsplans: 20 Prozent.
Die Ursachen bei Haka: eine verlustreiche Übernahme des Badmöbelwerks Mondsee von Villeroy & Boch und ein dramatischer Nachfragerückgang nach dem Corona-Boom, hieß es am Dienstag auf dem Fachportal Moebelkultur.de. Haka-Geschäftsführer Gerhard Hackl will die Küchenproduktion fortsetzen. Das defizitäre Badmöbelgeschäft wird eingestellt.
Die Beschäftigten werden von der Arbeiterkammer (AK) Oberösterreich begleitet. Deren Präsident, Andreas Stangl, appellierte am Dienstag via Presseaussendung: »Wir empfehlen, Ruhe zu bewahren und sämtliche Fragen mit unseren Experten abzuklären.« Um arbeitsrechtliche Ansprüche nicht zu gefährden, riet Stangl von übereilten Kündigungen ab. Denn der Insolvenz-Entgelt-Fonds springt ein. Offene Löhne, Urlaubs- und andere Ansprüche – all das wird gesichert. Doch die Verfahren sind komplex. Viele verlieren den Überblick. Die AK hilft bei der Anmeldung der Ansprüche, versicherte deren Präsident.
Und nun? »Klemens Hallmann war 30 Jahre lang ein Fixstern in der österreichischen Immobilienbranche«, meinte der Kurier am Dienstag. Ja, und nun ist der »selbstleuchtende Himmelskörper«: verglüht. Topp.
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