Im Netz der Spinne
Von Sören Bär
Viele seiner heutigen Gegner waren noch nicht einmal auf der Welt, als der am 17. November 1971 in Falmouth in der Grafschaft Cornwall geborene und in Truro aufgewachsene Michael (»Mickey«) Adams im Jahr 1989 im Alter von 17 Jahren seinen ersten Titel bei der Britischen Schachmeisterschaft gewann.
Vor wenigen Tagen eroberte der »König des britischen Schachs« beim 111. Championat in Liverpool zum neunten Mal die »British Crown Trophy«. Gemeinsam mit Stuart Conquest und Peter Roberson lag Adams am Ende der regulären neun Runden mit sieben Punkten vorn und wies die beste Feinwertung auf. Adams befand sich von Beginn an in Führung und gab sie bis zum Ende des Turniers nicht ab. Vor dem Schlussdurchgang hatten nicht weniger als sechs Akteure sechs Punkte. Neben den drei Großmeistern Adams, Nikita Witjugow und Conquest waren dies die drei Internationalen Meister Roberson, Richard Pert und Maciej Czopor.
Nach spannenden Verläufen siegte zunächst Roberson gegen Pert und ging virtuell in Führung, doch Adams zermürbte als Anziehender den aus Polen stammenden Czopor, und auch Conquest gelang ein überraschender Gewinn mit den schwarzen Steinen gegen Witjugow. Für das Finale des Schnellschach-Tiebreaks war er deshalb gesetzt. Nachdem sich der 58jährige Conquest im Stechen gegen Roberson durchgesetzt hatte, ließ ihm Adams beim 2:0-Erfolg im Finale nicht die Spur einer Chance. Exweltmeister Garri Kasparow hatte Adams einst den treffenden Spitznamen »The Spider« (»Die Spinne«) gegeben, weil der Engländer mit subtilem Positionsspiel ein Netz um seine Opponenten webt, so dass sie schließlich nicht mehr aus der tödlichen Falle entkommen können. Diese hohe Kunst offenbart sich insbesondere beim schnellen Spiel. Das außergewöhnliche Talent von Michael Adams wurde der Weltöffentlichkeit schon 1987 bekannt, als ihm mit 15 Jahren als damals jüngsten Spieler auf dem Planeten der Titel Internationaler Meister verliehen wurde. 1988 bezwang Adams als 16jähriger als einziger von zehn selektierten Teilnehmern beim »Global Satellite Simul« den damaligen Weltmeister Kasparow. 1989 avancierte er mit 17 Jahren zum Großmeister.
Bereits bei der vom 18. bis 21. Juli in Kenilworth, Warwick, ausgetragenen Englischen Meisterschaft teilte Michael Adams nach sieben Runden Schweizer System mit dem an eins gesetzten Nikita Witjugow mit sechs Punkten ungeschlagen die Ränge eins und zwei. Adams begann wie der Wind mit vier Gewinnpartien en suite, wohingegen Witjugow in der vierten Runde ein Remis gegen den derzeit jüngsten englischen Großmeister Shreyas Royal abgab. Das direkte Aufeinandertreffen von Adams und Witjugow in der fünften Runde endete remis. Im Spitzentreffen des sechsten Durchgangs bezwang Adams den 16jährigen Royal in einer äußert attraktiven Partie nach bereits 30 Zügen. Nachdem Adams in der finalen Runde mit Schwarz ein Remis gegen Matthew Wadsworth abgab, konnte Witjugow durch einen Sieg gegen Ameet Ghasi noch zu ihm aufschließen. Im Rapidschach-Tiebreak gab Adams dem aus Russland nach England gekommenen Witjugow jedoch mit 2:0 klar das Nachsehen. Im Interview mit dem Autor resümierte Michael Adams für die jW das Geschehen.
Wie würden Sie Ihre Gefühle nach Ihrem neunten Triumph bei der Britischen Meisterschaft im Vergleich zu denen nach Ihrem ersten Titel 1989 beschreiben?
Mein erster Sieg 1989 war sehr aufregend, und mein Vater Bill war auch dabei (Bill Adams ist Koautor der beiden Adams-Bücher »Development of a Grandmaster« und »Chess in the Fast Lane«.) Diesmal war es für mich eher die Genugtuung, das Event erfolgreich zu beenden.
Mit welchen Ihrer Partien bei den zwei Championaten waren Sie besonders zufrieden?
Mir gefällt mein Sieg gegen Shreyas Royal bei der Englischen Meisterschaft am besten.
Haben Sie sich noch einmal speziell auf die Tiebreaks gegen Nikita Witjugow und Stuart Conquest vorbereitet?
Nein, das wäre – aufgrund der knappen Zeit – nicht sehr praktisch gewesen.
Sie haben viele Fans in Deutschland und sind für sie echte Inspiration und Vorbild. Sie freuen sich, dass Sie mit über 50 Jahren immer noch hervorragend spielen und erfolgreich sind. Haben Sie eine Botschaft oder einen Rat für sie?
Man kann auch mit zunehmendem Alter noch gut spielen, aber es erfordert mehr Entschlossenheit und größeres Engagement als in jüngeren Jahren.
Michael Adams – Shreyas Royal, Englische Meisterschaft 2025, Kenilworth, Runde 6, 20. Juli 2025, Russische Verteidigung – Klassische Variante
1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sxe5 d6 4.Sf3 Sxe4 5.d4 d5 6.Ld3 Lf5 (Diese in den letzten Jahren statt 6...Le7 oder 6...Ld6 populär gewordene Fortsetzung beinhaltet die Idee, mit ...Sd6 die weißfeldrigen Läufer zu tauschen und das Angriffspotenzial zu reduzieren) 7.O-O Le7 8.Te1 O-O 9.Sbd2 Sd6 10.Sf1 c6 11.Lf4 Lxd3 12.Dxd3 Sa6 13.Sg3 Sc7 14.h4! (Nach ruhigem Beginn leitet Adams damit einen Königsangriff ein.) 14...Se6 15.Le5!? (Nach 15.Lxd6 Lxd6 16.Sf5 g6 17.Sxd6 Dxd6 18.g3 Tae8 würde Schwarz ausgleichen.) 15...Te8 16.h5! f6 (16...Lf8 war eine solide Alternative.) 17.Lxd6 Lxd6 18.Sf5 Dd7 (18...Lf8) 19.S3h4! Sf8? (Gemeinhin gilt der Springer als bester Verteidiger des Königs, aber nur mit 19...Lf8 konnte sich Royal verteidigen.) 20.Df3! Lc7 21.Dg4 (Mit Dame und beiden Springern hat der Anziehende eine Drohkulisse aufgebaut.) 21...Kh8 22.g3! (Mit dieser subtilen Idee bereitet Adams das Eingreifen des Turms über die h-Linie vor.) 22...Df7 23.Kg2! Tad8 24.c3! a5 25.Th1 Te4?! (Auf das etwas bessere 25…h6 folgt 26.Sg6+ Kh7 27.Sxf8+ Txf8 28.a4 Tde8 29.The1 +/- mit deutlichem Vorteil, während Weiß auf 26...Kg8? mittels 27.Se5! fxe5 28.Sxh6+! die schwarze Dame gewinnt.) 26 Sg6+!! Sxg6 (Nach 26...hxg6 gewinnt das Abzugsschach 27.hxg6+ sofort die Dame, während 26...Kg8 an 27.Dxe4! dxe4 28.Sfe7+ scheitert, wonach Schwarz die Dame geben muss, um das Matt abzuwehren: Nach 28...Dxe7 29.Sxe7+ Kf7 30.Sf5 +- steht Weiß mit einer Mehrqualität auf Gewinn.) 27.hxg6 Txg4 28.gxf7 Te4 29.Tae1! g6? (Der letzte Fehler, Pflicht war 29...Tf8.) 30.Txh7+! (30...Kxh7 31.Th1+ Th4 32.Txh4# ist matt.) 1:0.
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