Bite back!
Von Michael Sommer
Es gibt einen Grund, warum Science Fiction einem gerade unangenehm aufstoßen kann: Die in zahlreichen Romanen reproduzierte Idee von Maschinenzivilisationen, auf Festplatten hochgeladenen Gehirnen, Megacities – also dieses ganze Transhumanismuszeug – hörte sich mal geil an, bis ein paar Technooptimisten begannen, diese Ideen für umsetzbar zu halten. Freilich ist das nicht der einzige Grund, warum einem mittlerweile vor der Zukunft angst und bange werden kann.
Neben der Abschaffung des Menschen als biologisches Wesen haben Tech-Bros wie Marc Andreessen oder Investoren wie Peter Thiel noch ganz andere Sachen im Sinn: Abschaffung der Demokratie, Reduzierung des Staates auf ein Minimum, privatwirtschaftlich geführte Stadtstaaten. Ausprobiert wird das bereits in der eigentlich honduranischen Stadt Próspera durch den deutschen »Visionär« und Investor Titus Gebel, dessen krude Ideen sich problemlos im Netz nachlesen lassen.
In der neuen Serie »Alien Earth« (Disney plus) teilen sich nun genau solche Herrscherfiguren die Macht auf der Erde. Auf der einen Seite Boy (!) Kavalier, eine Art Peter-Pan-Figur des nie erwachsen werden wollenden Jungen, der zu allem Unglück aber reich genug ist, sich jedes Spielzeug leisten zu können – und sei es so exotisch wie der Xenomorph, ein Alien.
Als nun ein Forschungsschiff voll mit toxischer Fracht mit Wucht in eine irdische Megacity kracht (die Besatzung des Schiffes ist klassisch dem Alien an Bord zum Opfer gefallen), entbrennt schnell der Kampf zweier Herrscherhäuser um die exquisiten Körper (neben dem H.-R.-Giger-Alien noch einige andere Wesen, die nicht weniger aggressiv gegen die Menschen vorgehen). Bisher war allerdings keine Waffe der Alienkreatur wirklich gewachsen, und die Versuche, deren DNA für das eigene Überleben nutzbar zu machen, scheiterten groß. Nachzusehen in den nur halbwegs konsistenten Filmen der »Alien«-Reihe; der Ausreißer »Alien: Romulus« kam eher proletarisch daher.
Bei »Alien Earth« sind es beinah unsterbliche Supermenschen mit Superkräften, die ausgeschickt werden, das Frachtgut sicher in die Hände des Tech-Bros zu bringen. Der schlechte Scherz dabei ist, dass es die Gehirne todgeweihter Kinder waren, die dieser Peter Pan der Zukunft in die vorgefertigten erwachsenen (!) Körper transferiert hat. Eine Weiterführung der Ideen von den »lost boys (and girls)«, die J. M. Barrie in seinen Geschichten ausgebreitet hat. Die ewige Suche nach der Bewahrung kindlicher Unschuld kombiniert mit der Aggressivität künstlicher, unsterblicher Körper ist allerdings eine Wiederkehr des Stoffes als Farce.
Ach ja, ein paar klassische Szenen dürfen in der von Noah Hawley erdachten Serie natürlich nicht fehlen, das launige »Frühstück« der Raumschiffcrew nach dem Erwachen aus dem Kryoschlaf und die lauernden Eier des Aliens. Ridley Scott, Regisseur des ersten »Alien«-Films, wird als Executive Producer genannt. Disney hält dabei künstlich die Ware knapp, zwei Folgen waren bereits zu sehen, die dritte soll am 20. August folgen. Das Serienhafte sorgt dafür, dass aus dem eigentlich auserzählten Stoff eine Durststrecke mit den typisch auserzählten Charakteren und folgenübergreifenden Binnengeschichten wird. Da wünscht man sich die Konsequenz des ursprünglichen Filmes zurück. Wichtig bei Serien ist eben, dass es nur dauert. Bite back, Alien!
»Alien Earth« (Serie), Disney plus
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