Krise frisst Jobs
Von Klaus Fischer
Die Nachrichten aus der deutschen Wirtschaft werden nicht besser: Immer mehr Insolvenzen werden gemeldet (jW berichtete), viele Unternehmen schließen oder verlagern ihre Produktion ins Ausland. Die verbleibenden reagieren mit Beschäftigungsabbau und Kürzungsprogrammen. Während der Leitindex Dax von Rekord zu Rekord eilt (ein Phänomen, das eher mit dem Mangel an gewinnträchtigen Anlagemöglichkeiten zu tun hat) – schrumpft das Bruttoinlandsprodukt seit 2023 konstant. Und es schwinden die Jobs. Allein in der Industrie wurden so im zurückliegenden zweiten Quartal 141.000 Arbeitsplätze vernichtet, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte.
Im Produzierenden Gewerbe (ohne Bau) sank die Zahl der Erwerbstätigen demnach innerhalb der drei Monate um satte 1,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie Ende der Woche gemeldet wurde. Das beweist den Druck, unter dem die weitgehend exportabhängige Industrie steht. Als Ursachen werden meist die Zollpolitik der US-Regierung und die harte Konkurrenz durch die Industriemacht China genannt. Aber zunehmend werden auch die strukturellen Gründe für die schwindende Konkurrenzfähigkeit der Waren »Made in Germany« laut und Politiker sowie Kapitalfunktionäre weisen auf die verfehlte Wirtschaftspolitik der Bundesregierungen seit Angela Merkels Koalitionen hin.
Fakt ist, dass die zum Teil kräftigen Zollerhöhungen für US-Importe besonders für Länder wie Deutschland, Japan und an vorderster Stelle China zunächst zu Gewinneinbußen führen. Für die meisten Exportländer sind die USA der wichtigste Ausfuhrmarkt. Gewinnen kann nur, wer die günstigsten Produktionsbedingungen hat und die qualitativ besten Produkte anbietet. Konkurrenz und Anarchie sind schon laut den klassischen englischen Ökonomen und Marx die gravierendsten Merkmale der kapitalistischen Warenproduktion. Das hat sich in den vergangenen 150 Jahren nicht geändert. Und hierbei ist ausgerechnet Deutschland auf die Verliererseite geraten.
»Mit dem Abschwung der Exporte könnte sich der Trend zur Deindustrialisierung nun auch in Deutschland verschärfen«, zitierte Reuters am Freitag den Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. Auch würden die deutschen Standortbedingungen die Exporte verteuern. »In den kommenden Jahren dürfte die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter spürbar sinken und die Lohnkosten damit weiter steigen«, so der Ökonom. Zudem sei ein Neustart im Kampf gegen Bürokratie unter der neuen Regierung nicht erkennbar.
Hinter dem Stichwort Bürokratie verstecken die lauter werdenden Kritiker den berühmten weißen Elefanten, der seit Jahren mitten im Raum steht: Die von EU und Bundesregierung diktierte und exekutierte »Klimapolitik«. Sachsen-Anhalts scheidender Ministerpräsident Reiner Haseloff platzte gegenüber dem Handelsblatt (Freitag) mit dem Statement heraus, »die strategisch wichtigen Produktionen wie die chemische Grundstoffindustrie oder die Stahlindustrie (sollten) von strengen Klimavorgaben ausgenommen werden.«
Der CDU-Politiker, der sich nicht mehr zur Wiederwahl stellen will, hat damit seine eigenen Erfahrungen auf den Punkt gebracht. Die Entscheidung des US-Chemiekonzerns Dow Chemical, bis Ende 2027 Teile seiner Werke in Sachsen und Sachsen-Anhalt zu schließen, sei Ergebnis einer »seit langem verfehlten europäischen Klimapolitik«, sagte Haseloff der Zeitung. Die aktuelle Nachhaltigkeitsstrategie der EU bedeute das Aus für bestimmte Produktionen. »Damit muss Schluss sein. Wir sind nicht dazu verpflichtet, Suizid zu begehen.«
Meist wagen sich nur Personen aus der Deckung, die politisch und wirtschaftlich nichts mehr zu verlieren haben. So kritisierte jetzt auch der Vorstandschef des krisengeschüttelten Industriekonzerns Thyssen-Krupp, Miguel López, die Energiepolitik. Eine Energiewende mit Wind und Sonne in Deutschland sei »schlichtweg nicht sinnvoll«, sagte er laut AFP dem Magazin Focus. »In Europa gibt es genau zwei Regionen, die wettbewerbsfähig grünen Strom produzieren können: Skandinavien und die iberische Halbinsel. Von dort müssen wir den Ökostrom in großen Mengen importieren. Nur dann können wir im Energiebereich wettbewerbsfähig werden.«
Vor allem aber müsste der hiesige Strompreis langfristig auf drei Cent sinken, »wenn unsere Industrie überleben will«. Und auf die Frage, ob er mit Abwanderung drohe, sollte der Strompreis nicht deutlich sinken, antwortet der Konzernchef: »Das ergibt sich von allein, da muss ich gar nicht drohen. Welche energieintensiven Unternehmen können denn das aktuelle Preisniveau durchhalten?«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (17. August 2025 um 21:55 Uhr)Anstatt das dumme Gequatsche des fossilen Imperiums zu wiederholen, wäre ein Bericht über die Gestehungskosten vom Strom in Deutschland nach Erzeugungsart nützlich.
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