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Aus: Ausgabe vom 18.08.2025, Seite 1 / Titel
Nach Alaska-Gipfel

NATO verliert Krieg

USA begegnen Russland wieder als Großmacht. Hektik bei US-Verbündeten
Von Arnold Schölzel
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Klare Botschaft der Bilder: Händeschütteln zwischen Gleichgestellten (Anchorage, 15.8.2025)

Am 15. August empfing US-Präsident Donald Trump seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Anchorage demonstrativ als Gleichgestellten. Es kam zwar zu keiner gemeinsamen Erklärung, aber Inszenierung und Protokoll des Treffens vermittelten die Botschaft: Der Versuch der US-geführten NATO, Russland in der Ukraine in einem Stellvertreterkrieg militärisch zu schlagen, ist gescheitert. Auf den Tag genau vier Jahre nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan gab die Allianz faktisch ihren ersten heißen Krieg gegen Russland verloren.

2014 hatte der damalige US-Präsident Barack Obama Russland als »Regionalmacht« eingestuft, nun erläuterte Trump im TV-Sender Fox News am Sonnabend: »Es ist gut, wenn sich zwei Großmächte (big powers, jW) verstehen, insbesondere wenn es sich um Atommächte handelt. Wir sind die Nummer eins, sie sind die Nummer zwei in der Welt – und das ist eine große Sache.« Er verwende ungern das Wort »atomar«, aber Tatsache sei, dass beide Mächte über die größten Arsenale verfügten. Deren Gebrauch »könnte das Ende der Welt sein«. Putin formulierte sowohl in Alaska am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Trump wie nach seiner Rückkehr in Moskau bei einer Beratung mit führenden russischen Politikern: »Wir haben seit langem keine direkten Verhandlungen dieser Art auf einer solchen Ebene geführt.«

Der Ukraine-Krieg blieb vor diesem Hintergrund auf dem Gipfel zentrales Thema. Trump hatte noch auf dem Flug nach Alaska vor Journalisten einen Waffenstillstand verlangt, auf der Pressekonferenz verlor er dazu kein Wort, befand aber, er und Putin hätten einen »großartigen Fortschritt« gemacht. Auf seiner Plattform »Truth Social« schrieb er nach Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij sowie westeuropäischen Staats- und Regierungschefs, der »beste Weg« für ein Ende des Krieges bestehe darin, »direkt zu einem Friedensabkommen zu gelangen« – »und nicht nur ein Waffenruheabkommen, das oft nicht eingehalten wird«. Dies sei »von allen festgestellt« worden.

Den Kurswechsel vollzogen seit Sonnabend nachmittag die US-Verbündeten in EU und NATO zumindest verbal nach. Noch am Mittwoch hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Beisein Selenskijs in Berlin gefordert, eine Waffenruhe müsse »am Anfang« der Verhandlungen stehen, und das zur ersten von fünf Bedingungen für den Gipfel gemacht. Am Sonnabend erklärte Merz in verschiedenen Fernsehinterviews, Trump habe in der Videoschalte nach dem Gipfel zugesagt, »dass Amerika bereit ist, Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu geben«. Er bezeichnete dies als »wirklich großen Fortschritt« und »positive Überraschung«: »Amerika bleibt an Bord, auch für die Zeit danach.« Nach Angaben der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni soll es dabei um »von Artikel 5 der NATO inspirierte« Beistandsgarantien handeln, wobei die Ukraine dem Militärbündnis nicht beitreten soll. Merz betonte zudem im ZDF: »Russland scheint bereit zu sein, entlang der sogenannten Kontaktlinie die Verhandlungen zu führen und nicht entlang der Verwaltungsgrenzen. Das ist ein gewaltiger Unterschied.« Trump sei jedenfalls in territorialen Fragen bei der vereinbarten Linie geblieben. Am Sonntag fand eine Videokonferenz der »Koalition der Willigen« statt. Für Montag lud Trump Selenskij und mehrere europäische Staats- und Regierungschefs ins Weiße Haus ein.

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  • Leserbrief von Peter Groß (18. August 2025 um 19:05 Uhr)
    Man sollte im Bundestag und in den Dienstwagen der Mandatsträger einen Monat die Klimaanlagen sperren, um diesem selbstherrlichen Clan der Regierung einen Eindruck zu vermitteln, was an Katastrophen jährlich mehr auf das Volk zukommt, wie es in Krankenzimmern, Pflegeräumen der Republik, den Wohnungen einer alten, verarmten Bevölkerung ein tägliches Problem ist, die zu arm für Klimageräte ist und die Stromkosten ohnehin nicht aufbringen kann. Der Krieg gegen die eigene Bevölkerung findet in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien täglich statt. Welches Volk will solche Vollversager als Staatslenker. Sie stehen doch einsam und allein. Ich habe jedenfalls noch nicht gehört, die Franzosen stünden fest geschlossen hinter Macron. Auch die Engländer, die Deutschen, die Spanier nicht. Umfragen, ob und wie die Unterstützung des Volkes aussieht, werden peinlichst vermieden und gewählt wurden die Regierungsbänkler eben nicht vom Volk, sondern in unserem Fall beispielsweise von Mitgliedern des Bundestages, die in besonderen Abhängigkeitsverhältnissen stehen. Die Alten die unsere Jugend in den Kriegsdienst zwingen wollen, die sollten die Kosten dafür tragen. Eine aktualisierte Grundsteuer wäre eine Möglichkeit. Wer etwas zu schützen hat, muss zahlen. Femizide finden täglich statt. Tausendfach in der EU. Als gewaltsame Angriffe gegen Frauen, mehr als 250.000 Mal im Jahr in Deutschland. Man verschwendet Geld für Oligarchen, zahlt in trübe Kanäle und wundert sich nicht, dass die Zahl der Beutelschneider und Korrupten täglich um ein Vielfaches zunimmt. 50 Milliarden werden jährlich gewaschen. Blicken wir auf die russisch besetzten Gebiete, wird klar: Dieser Krieg ist längst verloren. Keiner will die bereits erfolgte ökologische Katastrophe wahrnehmen. Das besetzte Land ist verbrannt und ökologisch tot, von Schützengräben durchzogen, hunderte Kilometer lang, mehr als drei Meter tief. Und die Linke ist nicht mehr als ein klammheimlicher Mehrheitsbeschaffer für die CDU/CSU.
  • Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (18. August 2025 um 14:13 Uhr)
    Bleibt die Frage, gewinnen wir auch den Frieden? Wenn in diesen Stunden aller Hass, Wut und schäumender Russenhass von den Merzens, Pistorius, von der Leyen und Co. aus allen Medien quillt, dann sollte es ein deutsches Volk erschrecken. Verwundern muss es uns kaum.
    Warum ist es bei dem, was über alle Sender geht, eigentlich nicht legitim, von medialer Gleichschaltung und -verblödung zu sprechen? Deutsche Traditionen sind wieder lebendiger denn je. Kriegssehnsüchte sprechen aus allen Kommentaren, Berichten und Politshows.
    Das alles ist weniger verwunderlich für uns, die wir mit deutschen Genen vertraut sind, den revanchistischen Geist sattsam kennen, uns der Kriegsgeilheit bewusst sind, die Weltherrschaftsansprüche nicht seit heute wahrnehmen. Wir können nicht wissen, wie die imperialen Kämpfe um die Weltherrschaft in naher Zukunft ausgehen. Wir sehen und hören ihre Akteure und können die Interessen etwas abschätzen. Wer von uns hätte nach jüngsten Reaktionen aus den USA und eines Trump jemals daran geglaubt, ein wenig Hoffnung in dessen Politik eines Friedens in der Ukraine haben zu können? Die deutsche Kriegsfraktion und deren unbedingter Kriegswille lässt uns genau an Trump und Putin hoffen, welche Motive und Beweggründe auch dafür stehen. Die denkbar erschreckendeste, armseligste, scheinbar geschichtslose und realitätsfernste Haltung geben gerade Linkenpolitiker wie die von Aken und Co. von sich. Gleichgeschalteter geht kaum. Nicht einmal in der Linken scheint das Wissen um die Geschichte des Ukrainekrieges im Bewusstsein zu sein. Es hat auch für die Linke kein 2014 mit Krieg gegen Russen gegeben um die Republiken, die ihre Selbständigkeit erstrebten. Gerade das ist immer für die Linke angeblich so bedeutsam und unterstützenswert. Nein, außer purem Machtstreben gilt in der Linken nichts mehr, nichts Linkes, Sozialistisches, gar nichts mehr, nur Machtteilhabe und bis in den großen Krieg alles und jedes mitmachen, Russland als den größten Kriegstreiber und Feind vor sich her zu tragen.
  • Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (18. August 2025 um 12:33 Uhr)
    Die letzten Tage haben nachdrücklich bewiesen, wofür die Politik von Kanzler Merz steht: Um den Krieg vor dem Frieden zu retten, ist ihm auch im Urlaub kein Weg zu weit. Die Probleme des deutschen Volkes sind ihm dagegen völlig schnurz. Da ist es wichtig, dass ihm möglichst viele Menschen am 13. September in Berlin zeigen, für welche Prioritäten der deutschen Politik sie sind. Klar, Merz hört eher auf Millionäre und Milliardäre. Aber Hunderttausende auf Berlins Straßen, die könnte er kaum eben so überhören.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (18. August 2025 um 09:46 Uhr)
    Die NATO führt keinen Krieg gegen Russland – und kann daher auch keinen verlieren. Im Gegenteil: Durch die »Entsorgung« alter Waffen in die Ukraine modernisiert sie ihr eigenes Arsenal und steht damit bislang als einziger Gewinner da. Der Ukraine-Krieg ist ein Abnutzungskrieg. Hier zählen nicht Durchhalteparolen, sondern Industrie, Ressourcen und Zeit. Der Westen irrte fatal, als er glaubte, Russland – eines der wenigen Länder, das weitgehend autark überleben kann – ökonomisch oder gar militärisch in die Knie zwingen zu können. Heute zeigt sich das Gegenteil: Die Ukraine blutet aus, die EU zerstört ihre eigene Wirtschaft – und Russland steht stabiler da, als es der Westen je erwartet hätte. Die Bilanz ist bitter: Nicht Moskau tappte in die Falle – sondern Europa, das sie stellte, ist selbst hineingefallen.
  • Leserbrief von Holger (17. August 2025 um 22:11 Uhr)
    Stellen wir doch mal das ständig wiederholte falsche Argument vom Kopf auf die Füße: Es ist nicht so, dass die NATO einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führt. Warum sollte sie das wollen? Sie hat ihn ja auch gar nicht begonnen? Wenn man aber der russischen Führung genau genug zuhört, dann wird klar, dass dies ein Stellvertreterkrieg Russlands gegen die NATO ist. Anstatt sich den großen Brocken direkt vorzunehmen, wird auf die Ukraine eingedroschen und von »Root Causes« gefaselt. Wie anders soll man das interpretieren?
    • Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (18. August 2025 um 12:48 Uhr)
      Dass die Sonne immer wieder im Osten aufgeht und im Westen unter – das ist auch so ein russisches Täuschungsmanöver, um die NATO irgendwann in die Knie zu zwingen. Das scheint ja so eine Spezialität der Russen zu sein: Völlig unprovoziert irgendwo aufzutauchen und sich ohne Not mit zehnfach stärkeren Gegnern anzulegen. Bloß weil die ihnen das Messer an die Gurgel halten. Das macht man doch nicht!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Erich L. aus Berlin (17. August 2025 um 21:56 Uhr)
    Ich wäre mir nicht so sicher, dass die NATO den Krieg verloren hat. Und der rote Teppich für Putin bedeutet ja nicht, dass Trump am nächsten Tag nicht weiter provoziert oder gar zu dem befürchteten »Enthauptungsschlag« ansetzt. Habt ihr sein Vorgehen gegen den Iran schon vergessen?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (17. August 2025 um 20:29 Uhr)
    Gute Nachrichten aus Anchorage, nur nicht für die deutsche und europäische Rüstungsindustrie. Und zum Treffen von Trump und Selenskij reiste laut tageschau.de eine ganze Entourage an Regierungschefs der EU mit, einschließlich Frau von der Leyen. Warum wohl? Um »ihrem ukrainischen Präsidenten« an der vordersten Front zum bösen Russen den Rücken zu stärken? Das ist sicherlich zweitrangig. Die Pläne zur Neuaufteilung des Fells des russischen Bären sind lange öffentlich, geraten aber nun in größte Gefahr. Diskussionen über Gebietsabtretungen, über Waffenstillstand nicht an den Grenzen der Ukraine, sondern an der Kontaktlinie – das passt den Europäern überhaupt nicht. Lieber weiter sterben und verstümmeln in den Schützengräben. Kein Fußbreit dem Russen in persona von Putin. Und gleichzeitig komplettes Vergessen der Ereignisse seit dem Maidan-Putsch von 2014. Man nimmt also Selenskij in die Mitte und kommt ins Oval-Office … Es gibt kein besseres Bild für die Darstellung dieser Kiewer Marionette.

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