NATO verliert Krieg
Von Arnold Schölzel
Am 15. August empfing US-Präsident Donald Trump seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Anchorage demonstrativ als Gleichgestellten. Es kam zwar zu keiner gemeinsamen Erklärung, aber Inszenierung und Protokoll des Treffens vermittelten die Botschaft: Der Versuch der US-geführten NATO, Russland in der Ukraine in einem Stellvertreterkrieg militärisch zu schlagen, ist gescheitert. Auf den Tag genau vier Jahre nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan gab die Allianz faktisch ihren ersten heißen Krieg gegen Russland verloren.
2014 hatte der damalige US-Präsident Barack Obama Russland als »Regionalmacht« eingestuft, nun erläuterte Trump im TV-Sender Fox News am Sonnabend: »Es ist gut, wenn sich zwei Großmächte (big powers, jW) verstehen, insbesondere wenn es sich um Atommächte handelt. Wir sind die Nummer eins, sie sind die Nummer zwei in der Welt – und das ist eine große Sache.« Er verwende ungern das Wort »atomar«, aber Tatsache sei, dass beide Mächte über die größten Arsenale verfügten. Deren Gebrauch »könnte das Ende der Welt sein«. Putin formulierte sowohl in Alaska am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Trump wie nach seiner Rückkehr in Moskau bei einer Beratung mit führenden russischen Politikern: »Wir haben seit langem keine direkten Verhandlungen dieser Art auf einer solchen Ebene geführt.«
Der Ukraine-Krieg blieb vor diesem Hintergrund auf dem Gipfel zentrales Thema. Trump hatte noch auf dem Flug nach Alaska vor Journalisten einen Waffenstillstand verlangt, auf der Pressekonferenz verlor er dazu kein Wort, befand aber, er und Putin hätten einen »großartigen Fortschritt« gemacht. Auf seiner Plattform »Truth Social« schrieb er nach Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij sowie westeuropäischen Staats- und Regierungschefs, der »beste Weg« für ein Ende des Krieges bestehe darin, »direkt zu einem Friedensabkommen zu gelangen« – »und nicht nur ein Waffenruheabkommen, das oft nicht eingehalten wird«. Dies sei »von allen festgestellt« worden.
Den Kurswechsel vollzogen seit Sonnabend nachmittag die US-Verbündeten in EU und NATO zumindest verbal nach. Noch am Mittwoch hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Beisein Selenskijs in Berlin gefordert, eine Waffenruhe müsse »am Anfang« der Verhandlungen stehen, und das zur ersten von fünf Bedingungen für den Gipfel gemacht. Am Sonnabend erklärte Merz in verschiedenen Fernsehinterviews, Trump habe in der Videoschalte nach dem Gipfel zugesagt, »dass Amerika bereit ist, Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu geben«. Er bezeichnete dies als »wirklich großen Fortschritt« und »positive Überraschung«: »Amerika bleibt an Bord, auch für die Zeit danach.« Nach Angaben der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni soll es dabei um »von Artikel 5 der NATO inspirierte« Beistandsgarantien handeln, wobei die Ukraine dem Militärbündnis nicht beitreten soll. Merz betonte zudem im ZDF: »Russland scheint bereit zu sein, entlang der sogenannten Kontaktlinie die Verhandlungen zu führen und nicht entlang der Verwaltungsgrenzen. Das ist ein gewaltiger Unterschied.« Trump sei jedenfalls in territorialen Fragen bei der vereinbarten Linie geblieben. Am Sonntag fand eine Videokonferenz der »Koalition der Willigen« statt. Für Montag lud Trump Selenskij und mehrere europäische Staats- und Regierungschefs ins Weiße Haus ein.
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- Evgenia Novozhenina/REUTERS01.07.2025
»Ich kann keinen progressiven Ausweg erkennen«
- Alexander Ermochenko/REUTERS31.05.2025
Kurs auf Waffenstillstand
- Alexander Ratz/REUTERS05.04.2025
Freischwimmer im EU-Teich
Warum ist es bei dem, was über alle Sender geht, eigentlich nicht legitim, von medialer Gleichschaltung und -verblödung zu sprechen? Deutsche Traditionen sind wieder lebendiger denn je. Kriegssehnsüchte sprechen aus allen Kommentaren, Berichten und Politshows.
Das alles ist weniger verwunderlich für uns, die wir mit deutschen Genen vertraut sind, den revanchistischen Geist sattsam kennen, uns der Kriegsgeilheit bewusst sind, die Weltherrschaftsansprüche nicht seit heute wahrnehmen. Wir können nicht wissen, wie die imperialen Kämpfe um die Weltherrschaft in naher Zukunft ausgehen. Wir sehen und hören ihre Akteure und können die Interessen etwas abschätzen. Wer von uns hätte nach jüngsten Reaktionen aus den USA und eines Trump jemals daran geglaubt, ein wenig Hoffnung in dessen Politik eines Friedens in der Ukraine haben zu können? Die deutsche Kriegsfraktion und deren unbedingter Kriegswille lässt uns genau an Trump und Putin hoffen, welche Motive und Beweggründe auch dafür stehen. Die denkbar erschreckendeste, armseligste, scheinbar geschichtslose und realitätsfernste Haltung geben gerade Linkenpolitiker wie die von Aken und Co. von sich. Gleichgeschalteter geht kaum. Nicht einmal in der Linken scheint das Wissen um die Geschichte des Ukrainekrieges im Bewusstsein zu sein. Es hat auch für die Linke kein 2014 mit Krieg gegen Russen gegeben um die Republiken, die ihre Selbständigkeit erstrebten. Gerade das ist immer für die Linke angeblich so bedeutsam und unterstützenswert. Nein, außer purem Machtstreben gilt in der Linken nichts mehr, nichts Linkes, Sozialistisches, gar nichts mehr, nur Machtteilhabe und bis in den großen Krieg alles und jedes mitmachen, Russland als den größten Kriegstreiber und Feind vor sich her zu tragen.