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Aus: Ausgabe vom 12.08.2025, Seite 16 / Sport
Boxen

Are You the One?

Oliver Ginkel brilliert in Datingshows – und will vor dem Sprung ins Boxprofilager WM-Gold bei den Amateuren
Von Oliver Rast
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Macht nicht nur im Ring eine gute Figur: Oliver Ginkel, der Faustkämpfer mit Punch (obere Reihe, 3. v. l.)

Darauf hat seine virtuelle Fangemeinde gewartet. Wochenlang. Auf ein neues Kurzvideo von Oliver Ginkel, ein Reel auf seinem Social-Media-Kanal auf Tik Tok. Jüngst war es so weit. Der Modellathlet präsentiert sich leger im weißen Achsel-shirt und mit güldener Halskette samt verziertem Kreuzanhänger. Er blickt lächelnd in die Kamera seines I-Phones, während im Hintergrund Palmenblätter hin und her wiegen und vereinzelt Mopeds vor historischem Mauerwerk die Straße entlang tuckern.

Mit laszivem Augenaufschlag sagt er: »Meine Lieben, ich war ziemlich lange weg.« Nun könne er aber das Geheimnis lüften. Bei der fünften Staffel der Datingshow »Are You the One? Realitystars in Love« sei er gewesen. Viel verraten dürfe er noch nicht – nur so viel: »Es war eine wirklich wilde Reise.« Ein Ausflug nach Thailand für das bekannte Reality-TV-Format auf RTL+. Eine Singlebörse, bei der alle das »Perfect Match« suchen, die romantische Liebe fürs Leben. So jedenfalls die Erzählung.

Apropos perfektes Match. Das sucht Ginkel sonst im Ring. Der 27jährige ist aktueller Deutscher Meister im Halbschwergewicht (bis 80 Kilogramm) im olympischen Boxen. Ferner hat er sich im April mit seinem Sieg bei einem internationalen Turnier im finnischen Helsinki für die Weltmeisterschaft in der Beatles-Stadt Liverpool im September qualifiziert.

Bloß, wie passt das zusammen, Bühne im Ring, Bühne im Reality-TV? »Zugegeben, es ist schwierig, alles miteinander zu verbinden«, sagte der gebürtige Chemnitzer, der in Mönchengladbach aufgewachsen ist und in Münster Psychologie studiert, im Gespräch mit dem Autor. Aber die Shows gäben ihm zwischendurch die nötige Ablenkung, um beim Boxen wieder Vollgas zu geben. »Ich dachte anfangs auch, beides würde kollidieren. Macht es aber nicht.« Er bekomme von sehr vielen Leuten sehr viel Zuspruch, sie respektierten, was er auf der Mattscheibe, was er im Seilquadrat liefere. »Das ist wie bei einer Symbiose, die sich nicht erklären lässt.«

Erklären lässt sich hingegen, woher Ginkels Boxtalent kommt. Sein Vater war früher selbst Boxer und Trainer in Kasachstan. Schon mit acht Jahren hat er seinen Sohn unter seine Fittiche genommen. »Ich erinnere mich, dass ich zu Hause vor dem Spiegel stand, eine Übung nach der anderen gemacht habe und mein Dad daneben stand und mich genau beobachtet hat«, so der Zögling.

Und der Boxstil, wie ist der? Sehr intuitiv, sehr individuell. »Ich verlasse mich auf mein Auge und meine Reaktionsgeschwindigkeit«, erzählt der junge Ginkel. Defensiv, offensiv könne er agieren, vielseitig eben. »Also, ich weiß sehr präzise, wann ich angreifen muss, wann verteidigen.« Oder: Cleverness und Raffinesse; Stilelemente, die ihm auch im »Clinch« mit männlichen Konkurrenten in den Kuppelsoaps helfen.

Angefangen hat für Ginkel das Fernsehdasein im Frühjahr 2024 mit der Vox-Datingshow »Herz an Bord«. »Ich wollte mal bei einer solchen Sendung mitmachen, Erfahrungen sammeln, vor der Kamera stehen.« Er habe sich ganz normal beworben, musste mehrere Bewerbungsphasen durchlaufen. Bei den Produzenten kam er gut an. Auch bei den Singlefrauen. Ginkel gewann die Show. Aus der Romanze im Anschluss wurde dann aber nichts, bemerkt er nüchtern.

Sein Zwischenfazit: »Das Schwierigste ist, reinzukommen, sich zu etablieren.« Das ist ihm gelungen. Richtig bekanntgeworden ist Ginkel in der Reality-TV-Szene im Frühjahr dieses Jahres beim Format »Make Love, Fake Love« auf RTL+. Auch hier gelang ihm der Sprung ins Finale. Der smarte Liebling mit Punch konnte mittlerweile seine Fanbase bei Instagram (87.000 Follower) und bei Tik Tok (32.000 Follower) ausbauen. »Ich bin kein Nebendarsteller mehr«, weiß er. Mehr noch, er wolle mittels seiner TV- und Social-Media-Präsenz Menschen, die nichts mit dem Boxen zu tun haben, an den Sport heranführen. Zeigen, dass Boxer nicht bloß Haudrauftypen sind. »Nein, es gibt auch Leute wie mich, einfach ein netter, lustiger, charmanter Typ.«

Und wie geht es mit dem Boxen weiter? Er sei trotz seiner TV-Auftritte und -Angebote voll in der WM-Vorbereitung. »Für mich zählt nur die Goldmedaille.« Und eh, in Deutschland sei er aktuell »der erste und beste Mann im Limit bis 80 Kilogramm«. Egal, ob bei den Amateuren oder den Profis. »Ich bin in der Blüte meines Boxerlebens.«

Das Problem sei aber, dass dem Deutschen Boxsportverband (DBV) sein Reality-TV-Trip nicht sonderlich gefalle, weil er zeitlich nicht bei jedem Lehrgang des Verbands sein könne. »Aber ich hoffe auf die Unterstützung des DBV.« Zumal er ja mit seinen medialen Aktivitäten olympisches Boxen populärer mache.

Klar ist aber auch: Ginkel will zeitnah ins Profilager wechseln. »Ein Traum, besonders in ausverkauften Hallen in den USA zu boxen.« Einige Promoter von Boxställen hätten schon bei ihm angeklopft. Unterschrieben sei aber noch nichts. Vielleicht baue er auch mit einem eigenen Team etwas Neues auf. »Mal sehen.« Zu sehen ist der TV-Schwarm zunächst ab Mitte August in der Flimmerkiste, wenn es heißt: »Are You the One? Realitystars in Love.«

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