»Die Regierung Bukele ist diktatorisch«
Interview: Thorben Austen
Das Parlament in El Salvador hat am 31. Juli eine Verfassungsänderung beschlossen, die unter anderem die unbegrenzte Wiederwahl von Präsident Nayib Bukele ermöglicht. Warum sehen Sie darin eine Gefahr für die Entwicklung des Landes?
Die nun geänderte Verfassung ist als Konsequenz der Diktatur in El Salvador entstanden, inklusive der Begrenzung der Amtszeit des Staatspräsidenten auf eine Legislaturperiode. Bukele handelt aus ökonomischem Interesse: Er will die wirtschaftlichen Projekte seiner Familie zu Ende führen. Dafür braucht er den Posten als Staatschef. Er vertritt einen extremen Neoliberalismus und betreibt eine ultrakapitalistische Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, die vorher so nicht möglich war. Seine Politik dient der herrschenden ökonomischen Klasse und dem US-Imperialismus.
Welche Teile der Bevölkerung unterstützen Bukele?
Er hatte von Anfang an große Unterstützung, vor allem in den Schichten der Bevölkerung, die in prekären Verhältnissen leben. Hintergrund war die Gewalt der Banden, unter der vor allem die Menschen aus armen Stadtteilen litten. Wir glauben zwar nicht, dass Bukeles Maßnahmen – also der Ausnahmezustand seit 2022 und die Masseninhaftierungen – die Banden wirklich beseitigt haben, denn dazu bräuchte es strukturelle Veränderungen. Aber die Menschen sehen einen Fortschritt in ihrem täglichen Leben. Er kann seine neoliberalen Reformen auch deshalb umsetzen, weil er neben der Rückendeckung von Donald Trump auch eine relativ breite Unterstützung im Land hat. Es gibt aber Widersprüche: Laut Umfragen unterstützen 84 Prozent der Bevölkerung Bukele, gleichzeitig haben 64 Prozent Angst, bei Kritik an der Regierung in Haft zu kommen.
Im Mai hat das Parlament ein Gesetz über »ausländische Agenten« beschlossen, das die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen und vor allem ihre Finanzierung aus dem Ausland einschränken soll.
Interessant ist vor allem der Zeitpunkt des Gesetzes. Am 1. Mai hat sich die Arbeiterklasse zu Demonstrationen versammelt und dabei stärkere Einheit als zuvor gezeigt. Ruth López von der Menschenrechtsorganisation Cristosal wurde festgenommen. Bukele stand außerdem wegen Korruptionsskandalen und Absprachen mit den kriminellen Banden unter Druck. Das Gesetz kann in diesem Kontext genutzt werden, um die politische Arbeit in den Gemeinden zu kriminalisieren.
Wie stellt sich denn die Situation um die Konflikte im Land dar?
Im Norden von El Salvador ist vor allem die Problematik mit dem Bergbau bestimmend. Im Dezember 2024 beschloss das Parlament, ein bestehendes Verbot zu kippen, und seitdem ist der Abbau von Metallen wieder erlaubt. Das Verbot war 2017 dank der Mobilisierungen von Bauernorganisationen und Sektoren der katholischen Kirche durchgesetzt worden. In anderen Landesteilen sind es die Urbanisierung, das Bauen von luxuriösen Wohngebieten auf Gemeindeland und vor allem Projekte des Massentourismus, die die Menschen beschäftigen. Bei letzterem handelt es sich um Vorhaben großer Unternehmen, nicht um kommunalen Tourismus, von dem etwa auch die lokale Bevölkerung profitieren könnte.
Es heißt, in den Reihen Ihrer Organisation gibt es Bestrebungen, eine politische Partei zu gründen. Stimmt das?
Unsere Analyse ist, dass es sich bei der Regierung Bukele bereits um eine formelle Diktatur handelt. Setzen sich seine neoliberalen Reformen fort, wird das Leben in den ländlichen Regionen bald unmöglich werden. Das Land zu verlassen, ist aber auch keine Option. Daher brauchen wir eine Partei als Instrument der Arbeiterklasse und der Volksschichten. 2027 stehen die allgemeinen Wahlen an. Uns geht es dabei aber nicht nur um Wahlen, sondern darum, das historische Projekt des Volkes von El Salvador wieder aufzugreifen: den Aufbau einer Gesellschaft jenseits von Kapitalismus, Patriarchat, Kolonialismus und Rassismus.
Ángel Flores ist Koordinator für den Westen El Salvadors bei der Indigenenbewegung für die Integration der Kämpfe der ursprünglichen Völker (MILPA)
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