Kurs Richtung Wahlfarce
Von Thomas Berger
Die regierungstreue Tageszeitung Global New Light of Myanmar hat am Wochenende berichtet, wie sich ausländische Botschafter ins Kondolenzbuch für den am Donnerstag verstorbenen Interimspräsidenten Myint Swe eingetragen haben. Der Armeeoffizier war nach dem Putsch vom 1. Februar 2021 und der Festnahme des rechtmäßigen Staatsoberhauptes Win Myint ins höchste Amt aufgerückt, das er formell bis zu seinem Rücktritt aus Gesundheitsgründen im Juli 2024 innehatte.
Bemerkenswert war die ausdrückliche Erwähnung des Botschafters von Timor-Leste (Osttimor): Wenige Tage zuvor hatte Myanmars Militärregierung noch verkündet, die Aufnahme des jungen Inselstaats als elftes Mitglied in den regionalen ASEAN-Verbund blockieren zu wollen. Hintergrund ist, dass die Regierung in Dili eine kritische Haltung zum Putsch in Myanmar eingenommen hatte. Zuletzt war man dort aber aus purem Eigeninteresse um versöhnliche Töne bemüht.
Mit dem Ende des Ausnahmezustandes, der nach Auslaufen am 31. Juli nicht mehr um weitere sechs Monate verlängert wurde, nimmt das Militärregime endgültig Kurs Richtung Wahlfarce. »Binnen der kommenden sechs Monate«, präzisierte zuletzt ein Armeesprecher, soll nun die Neuwahl des Parlaments und der Regionalversammlungen stattfinden. Damit ist die Regierung des Generals Min Aung Hlaing bemüht, die starke internationale Isolation seit dem Staatsstreich 2021 zu durchbrechen und sich Legitimität zu verschaffen. In einer Umstrukturierung wird das State Administrative Council (SAC), wie sich die Militärregierung nannte, formell aufgelöst, ihre Kompetenzen werden aufgeteilt. Der Armeechef gibt das zuletzt parallel gehaltene Amt des Premiers an einen Exberater ab. All dies sind kosmetische Schritte, die ins Bild passen.
In die fortlaufenden Wahlvorbereitungen platzte indessen die Nachricht, die ASEAN wolle eine Delegation in das vom Bürgerkrieg zerrissene Land entsenden. Die Agentur AFP zitierte Malaysias Außenminister Mohamad Hasan mit der Aussage, seine Amtskollegen aus Indonesien, Thailand und den Philippinen würden ihn bei der für den 19. September geplanten Reise begleiten, um sich vor dem ASEAN-Gipfel im Oktober ein Lagebild zu machen. Die angekündigten Wahlen sollen ein Thema sein. Hasan verwies darauf, dass 63 umkämpfte Gebiete noch unter Kriegsrecht stehen. Was zudem unerwähnt blieb: Allein 3,6 Millionen Menschen leben als Binnenflüchtlinge unter meist prekären Bedingungen.
Dass es sich ohnehin nicht um eine demokratische Öffnung, sondern um Scheinwahlen handeln wird, ist bereits klar. Zwar sind nach aktuellem Stand 55 Parteien zugelassen, von denen neun auf nationaler Ebene Kandidaten aufstellen wollen. Doch es handelt sich ausschließlich um regierungstreue Kräfte.
Die demokratischen Parteien, allen vorweg die Nationale Liga für Demokratie (NLD) von Aung San Suu Kyi, sind ausgeschlossen, haben ihre Registrierung verloren. Die Friedensnobelpreisträgerin und Exregierungschefin ist im Juni 80 geworden und wurde inzwischen in Hausarrest verlegt – Außenkontakt gibt es kaum, ihr Gesundheitszustand gilt nach wie vor als angeschlagen. Weitere ehemalige Führungskader der NLD, die die ersten wirklich freien Wahlen 2016 haushoch gewonnen hatte und durch den Putsch um ihren noch größeren Wahlsieg 2020 betrogen wurde, sitzen in Haft. Einige sind schon gestorben. Die Haftbedingungen sind katastrophal: Im Gefängnis von Loikaw werde den derzeit 140 Insassen unter anderem medizinische Hilfe vorenthalten, kritisierte die Karenni Political Prisoners Association kürzlich in einem Beitrag des Newsportals The Irrawaddy. Zudem dürften die Inhaftierten schon seit längerem nicht ihre Zellenblocks verlassen – nicht einmal für Hofgänge.
Die Wahlfarce zurückgewiesen hat bereits die Arakan Army, eine der am stärksten bewaffneten Gruppen der vielen ethnischen Minderheiten. Während andernorts im Land die Kämpfe eher stagnierten, setzten ihre Streitkräfte, die bereits 14 von 17 Bezirken ihres Heimatteilstaates Rakhine kontrollieren, den Vormarsch in der angrenzenden Ayeyarwady-Region fort.
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