Konfrontation in Jubaland
Von Knut Mellenthin
Befreundete Nachbarn waren Somalia und Äthiopien noch nie. In der somalischen Grenzregion Gedo scheinen sie zur Zeit auf eine militärische Konfrontation zuzusteuern. Äthiopische Truppen, die die Grenzstadt Dolow besetzt halten, haben der somalischen Nationalarmee in der vorigen Woche ein auf drei Tage befristetes Ultimatum gestellt, sich aus der Stadt Balad Hawo zurückzuziehen, über die diese einige Tage zuvor die Kontrolle übernommen hatten.
Der Hintergrund des Vorgangs zeigt die unüberwindlich scheinende Aufsplitterung Somalias und die Ohnmacht der Zentralregierung in Mogadischu gegenüber den inneren Widersprüchen des Landes. Balad Hawo, Standort eines Militärstützpunkts, gehört zum Territorium des Bundesstaates Jubaland, der im äußersten Süden Somalias liegt und an Äthiopien und Kenia grenzt. Somalia besteht aus sechs Bundesstaaten, deren jüngster, Nordostsomalia, sich erst Ende Juli gegründet hat. Die Bundesstaaten erkennen die Herrschaft der schwachen Zentralregierung in Mogadischu nur stark eingeschränkt an, gehen in vielen Angelegenheiten Sonderwege und haben zum Teil Gebietsforderungen gegeneinander. Die von ihnen ausgeübte Autonomie ist, wie im Fall Puntlands, vom Anspruch auf staatliche Unabhängigkeit nicht weit entfernt.
Die Regierung in Mogadischu hatte im Juli nach bewaffneten Zusammenstößen mit Truppen Jubalands die direkte militärische Kontrolle über Balad Hawo übernommen. Dagegen richtete sich das Abzugsultimatum aus Addis Abeba, dem Somalia aber nicht nachkam. Ein hochrangiger äthiopischer General versicherte Clanältesten und Funktionären, dass Jubaland ein fester Verbündeter Äthiopiens sei und Addis Abeba die Übernahme der Kontrolle über Balad Hawo und die umgebende Region Gedo durch Einheiten der Zentralregierung nicht tolerieren werde.
Die Beziehungen zwischen Addis Abeba und Mogadischu sind dadurch noch angespannter geworden, dass Äthiopien im Januar 2024 ein Abkommen mit dem von Somalia beanspruchten Somaliland schloss, das 1991 seine staatliche Unabhängigkeit erklärt hatte und sie auch praktisch ausübt, wobei sie von keinem Staat der Welt anerkannt wird. Das Binnenland Äthiopien wollte dadurch unter anderem über den Hafen Berbera in Somaliland einen Zugang zum Roten Meer gewinnen. Die Türkei vermittelte im Dezember eine Abmachung, die den Streit zwischen den Regierungen in Addis Abeba und Mogadischu zwar entschärfte, aber nicht wirklich löste. Ein praktisches Ergebnis des türkischen Eingreifens war, dass die somalische Zentralregierung eine Beteiligung äthiopischer Soldaten an der in Somalia operierenden afrikanischen Interventionstruppe »Aussom« akzeptierte, die sie zuvor kategorisch abgelehnt hatte.
Zum aktuellen Jubaland-Streit behauptet dessen Regierung, ihm liege eine »Verschwörung« zwischen Mogadischu und Kairo zugrunde, die nicht nur auf die Destabilisierung des Bundesstaates ziele, sondern vor allem gegen Äthiopien gerichtet sei. Ägypten streitet mit dem Nachbarland, das zwischen 2011 und 2023 einen riesigen Staudamm zur Stromgewinnung errichtet hat, um die Nutzung des Nilwassers. Außerdem tritt Ägypten in Somalia immer stärker als direkter Konkurrent Äthiopiens auf. Im vorigen Jahr schloss Kairo mit der Zentralregierung Kairo ein Militärabkommen.
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