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Aus: Ausgabe vom 07.08.2025, Seite 16 / Sport
Sportförderung

Rechnungen und Wünsche

Für seinen Sportkanal Dyn findet Christian Seifert reichlich Geldgeber. Als Aufsichtsratschef der Sporthilfe-Stiftung tut er sich schwerer
Von Andreas Müller
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Wo ist die Kohle, Seifert? Nicht bei der Sporthilfe

Seit zwei Jahren sendet der deutsche Sportstreamingdienst Dyn. Anfang 2022 gegründet, hat er sich auf Teamsportarten wie Handball, Basketball, Volleyball, Tischtennis und Hockey spezialisiert. Seit dem Sendestart am 23. August 2023 wurden nach eigenen Angaben bislang mehr als 6.000 Matches übertragen. Der Mann hinter diesem Anbieter heißt Christian Seifert. In der Sportwelt wahrlich kein unbeschriebenes Blatt: Seifert war von 2005 bis 2021 Geschäftsführer der Deutschen Fußballliga (DFL) und ist seit Herbst 2021 Aufsichtsratschef bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Sport ist sein Geschäft. Das sollte ihm im Ehrenamt zugute kommen, um Firmenbosse davon zu überzeugen, der Sporthilfe den einen oder anderen Euro für den guten Zweck zukommen zu lassen. Möchte man meinen. Bislang hat der 56jährige mit der Übung so seine Schwierigkeiten.

Nicht dagegen im Kerngeschäft: Unlängst wurde bekannt, dass Dyn zwei kapitalkräftige Partner hinzugewonnen hat. Die DFL erwarb 6,5 Prozent der Senderanteile, der Schwarz-Gruppe, 5 Prozent. Genauso viele hält nach einer Kapitalerhöhung das Medienhaus Springer, bis dato einziger Mitspieler von Seifert bei Dyn, dessen eigene Anteile nach der Neuordnung bei etwa 8,5 Prozent liegen.

Für die 1967 gegründete Sporthilfe-Stiftung, Förderer von nahezu 4.000 olympischen und paralympischen Nachwuchs- und Spitzenathleten, fiel bei dem Deal ihres Bosses nichts ab. Die Stiftung musste zu Jahresbeginn ihre dürftigen Fördermittel nach einem neuen Schlüssel umschichten. Wie schon seit Jahren hält die Wirtschaft kühl Distanz zur Sporthilfe, obwohl man sie mit Fug als einen Eckpfeiler des bundesdeutschen Leistungssports bezeichnen kann. Selbst die aktuell sechs sogenannten nationalen Förderer wie die Deutsche Bank, Mercedes Benz oder die Telekom zieren sich, sobald es ums Geld geht. Von Unternehmen flossen der Sporthilfe zuletzt nur etwas mehr als zehn Millionen Euro zu, so weist es der Geschäftsbericht für 2023 aus. Was bedeutet, dass nicht mal ein Drittel der Gesamterträge von 32,6 Millionen Euro aus der Wirtschaft stammen. Mehr als 40 Prozent des Etats steuern die rund 300 Kuratoren bei, hinzu kommen Erlöse aus einem Glücksspiel namens Lotto.

Eine ernüchternde Relation, die Hans Wilhelm Gäb, der im April 89jährig verstorbene Ehrenvorsitzende der Sporthilfe, bereits vor über zehn Jahren beklagte. In den Unternehmen würden »kühle Kosten-Nutzen-Rechner« übers Sportsponsoring entscheiden. Die oft genug bescheidenen Lebensverhältnisse von Athleten im olympischen und paralympischen Sport spielen da natürlich keine Rolle. »Was zahlt sich nachweislich aus? Wie sieht die TV-Quote aus? Engagement im Sport soll ja der Reputation einer Marke helfen. Aber den heutigen Machern fehlt das Gefühl dafür, dass auch ideelle Werte das Image eines Unternehmens prägen, die nicht greifbaren Werte oder ›non tangible ­values‹, wie es im Englischen heißt.« Am liebsten wäre ihm gewesen, sagte Gäb, wenn alle im Dax-Index vertretenen Unternehmen etwas zum Förderetat beitragen würden. Ein frommer Wunsch, wie es scheint. Wegen der auf niedrigem Niveau stagnierenden Zahlungseingänge aus Industrie und Wirtschaft muss inzwischen sogar der Staat in die Bresche springen. Mehr als 57,5 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln flossen, seit der Bund 2018 erstmals aufs Sporthilfekonto einzahlte.

Womit die Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main und derzeit rund 50 Mitarbeitern gewissermaßen ihre Unschuld verlor. Eine jW vorliegende Aufstellung aus dem Bundesministerium des Innern (BMI) weist unter dem Rubrum »unmittelbare Athletenförderung« einschließlich 2025 Summen von insgesamt rund 53,9 Millionen Euro aus. Hinzu kommen fast 3,8 Millionen Euro als Beihilfen unter dem Posten »Duale Karriere«. Allein für dieses Jahr sind für beide Posten zusammen 8,5 Millionen Euro vorgesehen. Überdies wurden zuletzt vom Deutschen Olympischen Sportbund zwei Millionen Euro per anno dankend angenommen. Für 2025 sind vom Dachverband weitere 1,75 Millionen Euro als Zuschuss für die Sporthilfe eingeplant.

Vor diesem Hintergrund kann das selbstbewusste Credo der Sporthilfe nicht mehr gelten, das Budget ausschließlich mit Zuschüssen von privaten Geldgebern decken zu wollen. Vorbei sind die Zeiten, als das BMI anbot, pro Jahr mit einer Million Euro auszuhelfen – und diese Offerte als ehrverletzend beinahe brüsk ausgeschlagen wurde.

Heute verrät ein Blick in den Geschäftsbericht, dass 28 Prozent der Sporthilfe-Einnahmen aus öffentlichen Mitteln stammen. Während es für Christian Seifert bei Dyn privatgeschäftlich bergauf geht, ist seine Bilanz im Ehrenamt derzeit weniger beeindruckend. Fairerweise sollte man dabei nicht unterschlagen: Seifert war es, der in seiner Zeit als DFL-Geschäftsführer den professionellen Fußball erstmals mit der Sporthilfe verband. Ein mittlerer sechsstelliger Betrag hatte vor 17 Jahren genügt, um sämtlichen damals als B-Kader geförderten Athleten ein wenig unter die Arme zu greifen. Eine »Kooperation für kleines Geld«, die später um gut sichtbare TV-Spots im Rahmen der »Bundesliga-Sportschau« erweitert wurde und die bis heute anhält. Ende Juni wurde der Vertrag zwischen der DFL, die mit dem Verkauf ihrer TV-Rechte längst Milliarden einnimmt, und der Sporthilfe-Stiftung bis 2030 verlängert. Für den aktuellen DFL-Geschäftsführer Marc Lenz »gelebte Solidarität innerhalb der deutschen Sportfamilie«.

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