Defätist des Tages: Slavoj Žižek
Von Nick Brauns
Wo versagt die Linke, und warum gewinnt heute die Rechte die Arbeiterklasse? Diesen Fragen durfte Slavoj Žižek am Dienstag in einem Gastbeitrag für die Berliner Zeitung nachgehen. Seine wenig originelle Antwort: Die hegemoniale liberale Demokratie – für den slowenischen Philosophen gleichbedeutend mit der Linken – habe es versäumt, das Unbehagen der schweigenden Mehrheit der Arbeiterklasse wahrzunehmen. Denn diese habe mit Multikulturalismus, Wokismus und Identitätspolitik wenig am Hut. Mit der Arbeiterklasse wiederum hat Žižek – Modephilosoph eines sich radikal dünkenden Flügels des urban-akademischen Milieus – wenig am Hut.
»Mut zur Hoffnungslosigkeit« lautet so sein Schlagwort. Gemeint ist der Verzicht auf jede sozialistische Zukunftsperspektive. Denn »der westliche Marxismus hatte vollkommen recht, jede Kontinuität mit dem ›real existierenden Sozialismus‹ abzulehnen, der insgesamt ein gigantisches Scheitern war«. Anzustreben sei daher heute eine »Allianz zwischen moderaten Konservativen, die das Tagesgeschäft steuern, und einer leninistischen Elite, die uns auf den bevorstehenden Zusammenbruch vorbereitet«. Da Žižeks Leninisten keine »altmodischen kommunistischen Träume ausbrüten«, dürften sie eher den Zeugen Jehovas als den Bolschewiki ähneln.
Für Ziele, »die unser Überleben sichern«, sei auch »autoritäre staatliche Kontrolle« und »sogar ein gewisses Maß an Terror« erlaubt, gibt Žižek den Radikalen. Zur Sicherung der westlich-imperialistischen Vorherrschaft – was sonst meint »Verteidigung unserer spezifischen Lebensweise« bei Negierung sozialistischer Orientierung? –, heißt unser Philosoph also die Mittel gut, deren Anwendung durch den Marxismus an der Macht in Sowjetrussland und China zum Bruch des schöngeistig-utopischen westlichen Marxismus mit der realen Emanzipationsbewegung geführt hatte.
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