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Aus: Ausgabe vom 06.08.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Maritime Wirtschaft

Klagen abgebügelt

Warschauer Verwaltungsgericht winkt Containerhafenprojekt vor Usedom durch. Polen will damit deutschen Seehäfen Konkurrenz machen
Von Reinhard Lauterbach
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Die Mühlenbake, Wahrzeichen von Świnoujście in Polen

Das Wojewodschaftsverwaltungsgericht in Warschau hat am Montag grünes Licht für den geplanten Bau eines Containerhafens vor Świnoujście gegeben. Die Kammer wies zwei Klagen deutscher und polnischer Umweltinitiativen gegen das Projekt in vollem Umfang zurück. Das polnische Amt für Häfen und Seewirtschaft in Szczecin habe alle Genehmigungen korrekt erteilt und alle Einwände geprüft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; theoretisch können die Kläger Berufung zum obersten polnischen Verwaltungsgericht einlegen.

Dass alle Einwände »geprüft« worden seien, will allerdings noch nicht viel heißen. Das geht aus einer Äußerung des Vertreters der Stettiner Hafenbehörde im Verfahren hervor. Er hatte den Einwand, es könnten sich militärische Altlasten aus dem Zweiten Weltkrieg in der geplanten Fahrrinne befinden, mit dem Argument zurückgewiesen, man habe nichts Derartiges gefunden, und notfalls werde die polnische Marine die Entsorgung übernehmen, wenn noch etwas auftauchen sollte.

Das seit 2022 verfolgte Projekt für den Containerhafen sieht vor, dass bis 2029 für insgesamt umgerechnet vier Milliarden Euro ein Außenhafen vor Świnoujście mit Anlegemöglichkeiten für zwei Containerfrachter der größten Transatlantikklasse gleichzeitig gebaut und eine 65 Kilometer lange und 17 Meter tiefe Anfahrtsrinne in die Ostsee hineingebaggert werden soll. Der dabei entstehende Aushub soll teilweise auf den Strand der an Usedom grenzenden polnischen Insel Wolin gekippt und teilweise küstennah zu zwei künstlichen Inseln aufgeschüttet werden.

Das Projekt genießt in Polen allerhöchste politische Rückendeckung. Premierminister Donald Tusk hatte schon im Frühjahr 2024, als die beiden Klagen der deutschen Bürgerinitiative »Lebensraum Vorpommern« und der auf polnischer Seite entstandenen Initiative »Zielone wyspy« (Grüne Inseln) eingereicht wurden, die Parole ausgegeben, dass das Projekt gegen alle Widerstände durchgezogen werden solle. Entsprechend äußerte sich vor der Urteilsverkündigung auch der für die Planung zuständige Staatssekretär im polnischen Infrastrukturministerium, Arkadiusz Marchewka: Polen werde sich in den Ausbau seiner maritimen Infrastruktur von niemandem hereinreden lassen. Die Tusk-Regierung will sich in dieser Frage erkennbar von der rechten Opposition nicht nachsagen lassen, vor Forderungen deutscher Umweltschützer eingeknickt zu sein.

Mit dem Bau des neuen Containerhafens in Sichtweite der Ferieninsel Usedom will Polen die Kapazität seiner Häfen verdoppeln. Bisher gibt es in Polen nur einen Containerhafen in Gdańsk, der jährlich 3,4 Millionen Standardcontainer abfertigt; das ist etwa ein Viertel des Umsatzes der deutschen Seehäfen insgesamt, den das Statistische Bundesamt für 2024 mit 13,3 Millionen Standardcontainern angibt. Auf der geschäftlichen Ebene will Polen damit insbesondere Hamburg Konkurrenz machen, wo viele aus Übersee kommende Container auf kleinere Schiffe oder Lkw bzw. Züge umgeladen werden. Das betrifft nicht nur Lieferungen nach Polen selbst, sondern auch den sogenannten Hinterlandverkehr in Staaten ohne direkten Meereszugang wie Tschechien oder Österreich.

Die Regierung in Warschau hofft dabei auf zusätzliche Steuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe, die beim ersten Anlanden der Ware in einem EU-Hafen fällig werden und dann in den Haushalt des entsprechenden Landes fließen – derzeit also in den deutschen und nicht den polnischen, in der Perspektive dann umgekehrt. Der Elefant im Raum ist ohnehin die militärische Nutzung des neuen Hafens für den Nachschub an die Ostfront. Auf sie weist nur die Bezeichnung »Transatlantikcontainer« für die Standardblechkästen diskret hin, obwohl die Erfahrung des zivilen Warenverkehrs zeigt, dass im Frieden der größte Anteil der Container aus China und anderen asiatischen Provenienzen nach Europa kommt.

Zuvor hatten polnische Pläne, in der Stettiner Bucht ein Öl- und Gasvorkommen zu erschließen, ebenfalls für Proteste auf deutscher Seite gesorgt. Während diese Pläne aber noch weitgehend Zukunftsmusik sind – insbesondere ist die Förderwürdigkeit des Vorkommens noch nicht geklärt, und es fehlt ein Investor –, steht für das Containerprojekt schon fest: Ein Konsortium aus Katar und Belgien soll die Anlage bauen.

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