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Aus: Ausgabe vom 05.08.2025, Seite 16 / Sport
Radsport

Die Berge entscheiden

Die Französin Pauline Ferrand-Prévot holt den Gesamtsieg bei der Tour de France Femmes
Von Holger Römers
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Schafft es auch solo zum Sieg: Pauline Ferrand-Prévot mit Team (26.7.2025)

Kaum, dass am Sonntag die Schlussetappe der vierten Tour de France Femmes begonnen hatte, geriet die Gesamtführende ins Hintertreffen. Pauline Ferrand-Prévot (Team Visma – Lease a Bike) war schlecht positioniert, als das Peloton sich auf einer harmlosen, aber langen Abfahrt spaltete. Daraufhin mussten sich Kolleginnen zurückfallen lassen, um die 33jährige Französin kollektiv wieder an die Spitzengruppe heranzuführen. In der hatte Demi Vollering (FDJ – Suez) eine halbe Minute Vorsprung, weshalb man sich wundern mochte, warum sie Helferinnen nur halbherzig Tempo machen ließ. Offenbar glaubte die 28jährige Niederländerin, die 2023 das Gelbe Trikot gewonnen hatte, selbst nicht da-ran, über drei Minuten Rückstand in der Gesamtwertung aufholen zu können. So konnte Ferrand-Prévot sich schließlich sechs Kilometer vorm Ziel, an einem kurzen, unkategorisierten Anstieg, aus der Favoritinnengruppe absetzen und solo zum zweiten Etappenerfolg inklusive Gesamtsieg fahren, wobei auch das restliche Tagespodium dem Schlussklassement entsprach: Es folgte Vollering, die schon 2024 und 2022 Zweite war, vor der zwei Jahre älteren polnischen Vorjahressiegerin Katarzyna Niewiadoma-Phinney (Canyon – Sram Zondacrypto), die bereits 2023 und 2022 Gesamtrang drei belegt hatte.

Den beiden ursprünglichen Top-favoritinnen gelang es also immerhin, Sarah Gigante (AG Insurance – Soudal Team) vom zweiten Gesamtplatz zu verdrängen, den sie am Vortag durch ein entsprechendes Etappenergebnis erzielt hatte. Dabei war die 24jährige am Schlussanstieg zum Col de la Madeleine in die Offensive gegangen, aber von Ferrand-Prévot siegreich gekontert worden. Dass die Australierin trotz eklatanter Abfahrtschwäche Gelegenheit zu diesem Angriff bekam, verdankte sie freilich Kolleginnen, die tagelang wiederholt Nachführarbeit leisteten – bevor sie am Sonntag nach der Überquerung des höchsten Berges ihrerseits weiter zurücklagen als Gigante. Dass deren Konkurrentinnen keine frühere Chance nutzten, um die Gesamtdritte und zweifache Etappensiegerin des diesjährigen Giro d’Italia nachhaltig abzuhängen, dürfte der Dramaturgie dieser Frankreich-Rundfahrt geschuldet gewesen sein: Die neun Tagesabschnitte waren klar darauf ausgerichtet, dass am Sonnabend die erste von zwei Alpenetappen die Entscheidung bringen würde.

Zudem mochten Vollering und Niewiadoma-Phinney sich als Favoritinnen gefestigt fühlen, da früh Top-ten-Kandidatinnen aus der Gesamtrechnung zu streichen waren: Während der Auftaktetappe stieg Marlen Reusser (Movistar Team), die nach ihrer Genesung von Post-Covid Giro-Dritte geworden war, mit Magenproblemen vom Rad. Tags darauf zwangen ähnliche Gründe die erneute Giro-Siegerin Elisa Longo Borghini (UAE Team ADQ) zur Aufgabe. Derweil hatte Lotte Kopecky (Team SD Worx – Protime), die Tour-Zweite von 2023, sich formschwach bereits erheblichen Rückstand eingehandelt. Diese Konstellation beförderte zumindest auf jenen Etappen, bei denen es nicht zum Massensprint und mithin zum fast unvermeidlichen (zweimaligen) Tagessieg der 26jährigen Niederländerin Lorena Wiebes (Team SD Worx – Protime) kam, Überraschungen: So glückte der 41jährigen Spanierin Mavi García (Liv Alula Jayco) auf der zweiten Etappe endlich eine der vielen Attacken, die sie bei großen Rennen jahrelang erfolglos geritten hatte. Ebenfalls solo fuhr die 23jährige Französin Maëva Squiban (UAE Team ADQ) indes auf der sechsten und siebten Etappe gleich zu zwei Tageserfolgen.

Durchaus überraschend war auch, dass Ferrand-Prévot schon beim Tour-Debüt jener Coup glückte, den sie binnen dreier Jahre angekündigt hatte. Zwar hatte sie große Erfolge bei Straßenrennen vorzuweisen, unter anderem als Weltmeisterin 2014, sich dann jedoch bis 2024 auf die Disziplin Mountainbike spezialisiert, in der sie Olympiagold gewann. Ihr Tour-Sieg spricht nun einerseits für eine gesteigerte Leistungsdichte im weiblichen Peloton, die erfreuliche Unvorhersehbarkeit ermöglicht – und belegt andererseits, dass diese Dichte gering genug ist, um Quasiquereinsteigerinnen prompt den allergrößten Triumph in diesem Sport zu erlauben. Dazu passte denn auch, dass bis Sonnabend Kimberley Le Court de Billot (AG Insurance – Soudal Team) das Gelbe Trikot trug, nachdem sie am Mittwoch im Sprint der Favoritinnengruppe siegreich gewesen war: Die 29jährige Mauritierin war nämlich bis 2023 ebenfalls auf die Disziplin Mountainbike konzentriert gewesen. Für denkbar große Kontinuität im Frauenradsport bürgte dagegen Marianne Vos (Team Visma – Lease a Bike), indem sie sich auf der Auftaktetappe im Sprint einer Gruppe durchsetzte – und damit ihren 258. (!) Sieg auf der Straße verbuchte.

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