Ehrenwort für Lausitz
Von Arnold Schölzel
Das war wohl nötig: Noch bevor Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) am Montag von Dresden ins Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe des Energiekonzerns LEAG im brandenburgischen Spremberg aufbrach, versuchte sie, den zu erwartenden Protest zu dämpfen: »Ich kann der Region versichern, dass auch die Lausitz profitiert.« Konkret geht es um den Bau von Gaskraftwerken, die nach Auslaufen der Kohleförderung Flauten und Dunkelphasen bei Windrädern und Solarkraftwerken überbrücken sollen.
Reiche hatte kurz nach Amtsantritt bekanntgegeben, dass bis 2030 Gaskraftwerke mit einer Kapazität von 20 Gigawatt entstehen sollen – etwa 40 bis 50 Kraftwerke. Anfang Juni sorgte die gebürtige Brandenburgerin aber in der Lausitz für Entsetzen: Sie nahm an einer Klausur des bayerischen Kabinetts unter Leitung von Markus Söder (CSU) teil und kam heraus mit: »Wir planen einen Südbonus, der mit zwei Dritteln der insgesamt ausgeschriebenen Kapazität im technischen Süden gebaut wird.« Zehn Tage später mobilisierte die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) 1.500 Kumpel in ein Cottbusser Stadion. Der Vorsitzende des LEAG-Konzernbetriebsrats, Uwe Teubner, sagte dem RBB: »Für uns bedeutet das ein Verbauen der Zukunftschancen.« Er forderte einen »Transformationsbonus«. Mitte Juli verlangten die in Brandenburg regierenden Parteien SPD und BSW eine Überarbeitung der Kraftwerksstrategie. Der »Südbonus« bei der Standortauswahl neuer Gaskraftwerke verzerre »den Wettbewerb zu Lasten kosteneffizienter ostdeutscher Standorte« und führe zu »hohen Energiekosten für alle Verbraucher«. Am Montag schlug Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) in dieselbe Kerbe. Der MDR zitierte ihn mit: »Wenn der Bund über Versorgungssicherheit spricht, muss auch die Lausitz Teil der Lösung sein – nicht nur Bayern oder Baden-Württemberg.« Und weiter: »Wir fordern keinen Standortvorteil, sondern eine gerechte Verteilung und Planungssicherheit.«
In Schwarze Pumpe, wo Reiche von einem Spalier Dutzender LEAG-Mitarbeiter unter IG-BCE-Fahnen empfangen wurde, behauptete sie: »Die Angst ist unbegründet.« Und: »Gaskraftwerke in der Lausitz werden gebraucht, und sie werden auch gebaut.« Sie könne der LEAG Planungssicherheit garantieren. Die Bundesregierung werde alles dafür tun, den Traditionsstandort zu erhalten. Die Bedingungen für die Ausschreibung würden so gestaltet, dass die LEAG investieren könne und einen Zuschlag erhalte. Der Konzern will Gaskraftwerke bauen, die später auf Wasserstoff umgerüstet werden können. Das soll den Beschäftigten eine Perspektive geben. Reni Richter, Bezirksleiterin der IG BCE, meinte dazu am Montag: »Wir fordern, dass wir nicht vergessen werden.« Überzeugung hört sich anders an.
Die Angst hatte Reiche jedenfalls selbst geschürt. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD war von einem »Südbonus« für den Bau neuer Gaskraftwerke keine Rede. Auch Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) scheint den Beschwichtigungen nicht zu trauen. Er begleitete Reiche in Spremberg und erklärte, es gehe um Sicherheit und Stabilität für die Lausitz. Die Transformation – also der schrittweise Ersatz von Kohle und Gas – mache vielen Menschen auch ein bisschen Angst. Die AfD im Brandenburger Landtag, die für den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke eintritt, unterstützt ansonsten den Kurs Reiches.
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Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (7. August 2025 um 10:47 Uhr)Ob Energie-, Bau-, Außenpolitik und andere Themen, wir bekamen seit einiger Zeit auf der politischen Bühne einige junge, unverbrauchte, elitäre, hoch gebildete neue Gesichter zu sehen und zu hören. Mit Versprechen, Versicherungen, Behauptungen, mit Worten sind sie alle sehr schnell in ihr Amt gewachsen. Überzeugend, so dass Bürger und Bürgerin Vertrauen haben kann, versteht was gesagt wird mit dem Politkauderwelsch, da waren manchmal die Alten schon besser und klarer. Die wussten zumindest, wovon sie sprachen, sie kannten die Interessenebenen, die Konsequenzen ihrer Politik. Dieser Eindruck ist immer weniger zu empfinden. Ehrenworte und viele große Worte besagen heute nichts mehr. Klar und deutlich wie nie lassen PolitikerInnen erkennen, in wessen Interesse sie Politik zu machen haben, wessen Konzernen sie dienen, da macht es nichts, ob sie begreifen, was sie daher plappern.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (4. August 2025 um 21:59 Uhr)Ehrenwort für Lausitz? Sucht Frau Reiche eine Badewanne in Genf? Ehrenworte in Norddeutschland können gefährlich sein.
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