Suche nach Anerkennung
Von Knut Mellenthin
Im Jahr 1991 erklärte die ehemalige Kolonie British Somaliland in Nordostafrika ihre staatliche Unabhängigkeit von der 1960 gegründeten Republik Somalia. 34 Jahre später pflegt das Territorium, das ungefähr so groß wie Griechenland ist, zwar Sonderbeziehungen zu Israel, Taiwan und den USA, aber es ist nach wie vor von keinem Staat der Welt anerkannt und will das ändern. Somaliland sei »bei seinem Streben nach internationaler Anerkennung als souveräner Staat bereit, den USA einen Stützpunkt am Eingang zum Roten Meer und wichtige Mineraliengeschäfte anzubieten«, berichtete der in New York City ansässige Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg am Mittwoch. Grundlage für diese Aussage ist ein Interview mit Präsident Abdirahman Mohamed Abdullahi, auch bekannt unter dem Kurznamen »Cirro«, der seit dem 12. Dezember im Amt ist.
Aber hat der 69jährige das wirklich so gesagt? Oder wieviel heiße Luft steckt in der Darstellung? Zweifel werden schon dadurch ausgelöst, dass Abdullahi auf die sicher aufregendste Frage nach einer Militärbasis in Wirklichkeit lediglich geantwortet hatte: »Wir diskutieren jetzt immer noch über Themen. Wir hoffen, dass diese Diskussion in Zukunft Früchte trägt.« Konkret geht es dabei um Berbera, den größten Hafen des Landes, dessen Ausbau vor allem durch ein Unternehmen aus Dubai erfolgt, dem dabei ein hohes Maß an Selbständigkeit eingeräumt wird. Gerüchteweise wird Berbera in arabischen Medien schon jetzt als Stützpunkt Israels oder der Vereinigten Arabischen Emirate »gehandelt«.
Zutreffend ist, dass Abdullahi im Interview von der Bereitschaft gesprochen hat, den USA Geschäfte mit wichtigen (»critical«) Mineralien »wie Lithium« anzubieten. Dazu merkt aber Bloomberg selbst an, dass Somaliland gegenwärtig kein Lithium produziert, sondern nur eine Lizenz zum Sondieren von Vorkommen an eine saudiarabische Firma vergeben hat. Informationen im Text, dass das Land auch über »Lager von Zinn, Edelsteinen und Industriemineralien einschließlich Gips, Zementmaterialien und Gold« verfüge, sind einem Untersuchungsbericht von Juni 2023 entnommen, aber nicht Teil des Interviews.
Aufschlussreich sind hingegen Abdullahis Erzählungen, dass der US-Botschafter in der somalischen Hauptstadt Mogadischu, Richard Riley, in den vergangenen Monaten mehrmals die aus dortiger Sicht »autonome Region« Somaliland besucht habe und Vertreter des Pentagons im Dezember dort gewesen seien. »Wir haben über Wege und Mittel diskutiert, auf den Gebieten Sicherheit, Handel und regionale Stabilität zusammenzuarbeiten.« Darüber ist kaum etwas an die Öffentlichkeit gedrungen. In diesen Zusammenhang gehört offensichtlich der Antrag für ein Gesetz namens »Somaliland Independence Act«, das am 12. Juni in den US-Kongress eingebracht wurde. Sein Inhalt ist denkbar knapp und deutlich: »Es ist die Politik der USA, dass alle Territorialansprüche der Bundesrepublik Somalia auf das als Somaliland bekannte Gebiet ungültig sind und jeder Grundlage entbehren. Der Präsident ist autorisiert, Somaliland als separates, unabhängiges Land anzuerkennen.«
Als Initiatoren nennt die Vorlage die republikanischen Abgeordneten Scott Perry, Andrew Ogles, Thomas Tiffany und Pat Harrigan. Alle vier sind öffentlich hochaktive Repräsentanten der Taiwanlobby, die sich für vermehrte Waffenverkäufe an die Separatisteninsel, für deren »volle Mitgliedschaft« in der UNO, für ihre Einstufung als privilegierter Partner der NATO und für den Abschluss eines Freihandelsabkommens engagieren. Dies und weiteres ist Gegenstand des »Taiwan Plus Act«, den Senator Rick Scott, ebenfalls ein Republikaner, am 21. Mai in den Kongress getragen hat. Dass ständige scharfe Polemik gegen China, zu dem Taiwan völkerrechtlich gehört, ebenfalls zum Auftreten dieser Gruppe gehört, ist selbstverständlich. Somaliland und Taiwan unterhalten in den jeweiligen »Hauptstädten« diplomatische Vertretungen, aber keine vollwertigen Botschaften. Sie haben Kooperationsabkommen unter anderem auf den Gebieten der Informationstechnologie und des Küstenschutzes geschlossen.
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