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Aus: Ausgabe vom 01.08.2025, Seite 14 / Medien
Rechtes Portal

Ein Verlustgeschäft zahlt sich aus

Rechtes Portal Nius maßgeblich an erfolgreicher Kampagne gegen Verfassungsrichterkandidatin beteiligt.
Von David Maiwald
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Erklärt die Welt von rechts: Nius-Chefredakteur Julian Reichelt (Leipzig, 18.4.2024)

Die Kandidatin für einen Posten am Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, konnte nicht ernannt werden, nachdem eine rechte Kampagne sie als »linksextrem« markiert hatte. Der Vorgang zeigt, wie rechte Netzwerke mittlerweile in beeindruckend kurzer Zeit Diskursmacht entfalten können. Das rechte Portal Nius des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt ist dabei ein auffälliger Akteur. In einem Bericht der Financial Times (FT) erklärte Reichelt am Sonntag, er sei nicht nur »stolz« sondern auch »mehr als bereit«, die Verantwortung »für die Gestaltung der Debatte« gegen Brosius-Gersdorf zu übernehmen. Nius sei dabei als »eine der aktivsten ›alternativen‹ rechten Websites« aufgetreten, die »eine Flut negativer Berichterstattung« gegen Brosius-Gersdorf verbreiteten, heißt es in der FT.

Brosius-Gersdorf selbst hatte bereits öffentlich von einer Kampagne gegen sich gesprochen. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) beklagte vorvergangene Woche, keinem »Druck von rechten Netzwerken« nachgeben zu wollen, und Grünen-Chef Felix Banaszak wähnte einen »rechten Mob« hinter den Attacken auf die Juristin. Auch beinahe 300 Rechtswissenschaftler erklärten in einem offenen Brief im Anschluss an die abgesagte Wahl im Bundestag, im Richterwahlausschuss sei eine Kandidatin bestätigt worden, um dann »gegenüber ideologisierten Lobbygruppen und mit Unwahrheiten und Diffamierungen gespickten Kampagnen zurückzurudern«.

Der stellvertretende Welt-Chefredakteur Robin Alexander hatte die Debatte als gewöhnliche Berichterstattung abgetan. Doch ihre Kampagnenform zeige sich an der »Bandbreite an Methoden, Petitionen sowie Aufrufen« in sozialen Medien in Verbindung mit der klaren politischen Absicht, ihre Wahl zu verhindern, hatte Anna Schimmele, Beraterin des liberalen Berliner Thinktanks Polisphere, im NDR-Interview erklärt. Kritische Berichterstattung sei wichtig »für die liberale Demokratie«, jedoch problematisch, wenn sie »auf Falschinformationen beruht oder diese weiterverbreitet«, so Schimmele. Ein eher idealtypisches Bild von Politikbetrieb.

Nachdem zunächst die Position zu einem eventuellen AfD-Verbotsverfahren die Runde gemacht hatte, war Brosius-Gersdorf vorgeworfen worden, sie setze sich »bis in die letzten Wochen der Schwangerschaft für Abtreibung« ein. Das habe Nius aufgegriffen und die Kandidatin in der Folge als »radikale Feministin« bezeichnet, heißt es in den Berichten. In der Folge seien Aufrufe und Petitionen zu Äußerungen der Juristin bezüglich Coronaimpfungen und zu einem später erhobenen Plagiatsvorwurf zusammengekommen. Die Akteure hätten sich dann in kurzer Zeit »gegenseitig aufgegriffen, und alles hat zusammengewirkt«, so Schimmele. Nius sei mit mehr als 20 Artikeln innerhalb von zehn Tagen besonders auffällig hervorgetreten, berichtete die FT.

Das britische Blatt bescheinigt Reichelts Portal dabei eine Art Scharnierfunktion, weil es randständige, rechte Akteure ins politische Establishment hole. Obwohl sonst »von vielen etablierten Politikern gemieden«, habe Nius mit den Unionspolitikern Jens Spahn und Markus Söder in der Vergangenheit »zwei hochrangige Persönlichkeiten« interviewt, »die beide am rechten Rand der konservativen Allianz stehen«. Keine neue Einschätzung: Schon im vergangenen Jahr hatte der Politikwissenschaftler Markus Linden Nius im Deutschlandfunk bescheinigt, es mache rechte Standpunkte durch die Beschäftigung rechter Influencer und Auftritte von Spitzenpolitikern aus Union und FDP anschlussfähig und »normalisiere« sie dadurch.

Die Behauptung von Reichelt in der FT, »nie mit einem Politiker zusammengearbeitet« zu haben, erscheint kurios. Als ehemaliger Chefredakteur des Springer-Flaggschiffs Bild ist er bestens vernetzt mit der herrschenden Politik, soll dem Spiegel zufolge im Jahr 2021 mit Jens Spahn – damals noch Bundesgesundheitsminister – bei Bier und Pizza das damalige »Kanzlerduell« um Armin Laschet in seinem Büro verfolgt haben. Sein Portal werde weiterhin vom rechten Unternehmer und Merz-Spender Frank Gotthardt finanziert, sei wirtschaftlich aber ein andauerndes Verlustgeschäft, so die FT. Für seine politische Agenda ist es aber offenbar mehr als einträglich.

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