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Aus: Ausgabe vom 01.08.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Sri Lanka

Mindestlohn deutlich angehoben

Sri Lankas linkes Kabinett sorgt für bessere Gehälter und schließt Schlupflöcher. Den Bedarf deckt das noch nicht
Von Thomas Berger
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Für Billiglohn Kleidung nähen: Die Textilindustrie ist der größte Exportsektor von Sri Lanka (Colombo, 3.4.2025)

Für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen und das Los derer verbessern, die unter den ökonomischen Verwerfungen besonders leiden – es war auch dieses Versprechen, das vor knapp einem Jahr zum Sieg des linken Kandidaten Anura Kumara Dissanayake bei der Präsidentenwahl in Sri Lanka geführt hatte. Dass es dem Vorsitzenden der kommunistischen Partei Janatha Vimukthi Peramuna (auf deutsch: Volksbefreiungsfront) und seiner Regierung ernst ist mit einer Abkehr von der neoliberalen Ausrichtung ihrer Vorgänger, zeigt sich bei markanten Entscheidungen wie aktuell. So soll der Mindestlohn ab 1. Januar 2026 auf 30.000 Rupien (85 Euro) pro Monat steigen.

Das ist angesichts wiederholter Nullrunden ein deutlicher Sprung. In den ersten Monaten dieses Jahres lag der Wert noch unverändert zu 2024 bei 21.000 Rupien (knapp 60 Euro), zusammengesetzt aus einem Basisbetrag von 17.500 und einem Aufschlag von 3.500 Rupien. Rückwirkend zum April können sich Betroffene bis Jahresende schon über 27.000 Rupien freuen, bis im Januar die nächste Stufe der Erhöhung greift.

Darüber hinaus sieht die am Montag amtlich verlautbarte Gesetzesänderung vor, dass bisherige Schlupflöcher geschlossen werden sollen. Auch damit schlagen Präsident Dissanayake und sein Kabinett neue Pflöcke ein. Denn in der Vergangenheit wurde das Staatsversagen nicht zuletzt dadurch deutlich, dass in der stark vom informellen Sektor geprägten Wirtschaft des Landes der bisher sehr geringe und über viele Jahre weitgehend stagnierende Mindestlohn oft gar nicht gezahlt wurde. Zudem wurden Tagelöhner nur mit einem Bruchteil des Betrages abgespeist. Dass es sich dabei nicht nur um Ausnahmefälle handelt, hatte etwa der Labour Force Survey 2022 gezeigt: Fast 97 Prozent der auf Tagesbasis Beschäftigten erhielten nicht den gesetzlichen Mindestlohn. Selbst bei denen mit Monatskontrakten waren es knapp 80 Prozent, die darunterblieben. Und sogar bei formellen Jobs werde die Vorgabe nicht immer eingehalten, schrieb vor einem Jahr der Daily Mirror unter Berufung auf die Studienergebnisse. Jetzt wurde auch das tägliche Minimum von 700 auf zunächst 1.080 Rupien angehoben und wird ab 2026 bei 1.200 Rupien liegen.

Während die vor wenigen Jahren noch grassierende Inflation inzwischen auf niedrige einstellige Werte eingedämmt ist, gibt es gleichwohl eine große Zahl Menschen landesweit, die neu in die Armut abgerutscht sind. Gewerkschaften und das Netzwerk »Kampagne für saubere Kleidung« hatten schon im August 2024 darauf verwiesen, dass die untere Lohnschwelle eigentlich bei wenigstens 50.000 Rupien liegen müsste, wovon auch der neue Mindestlohn ab Jahreswechsel noch weit entfernt ist. Noch größer ist der Abstand, wenn der sogenannte Living Wage (Existenzlohn) als Vergleichsgröße herangezogen wird, also ein aus verschiedenen Aspekten berechneter Wert, der auch soziale und kulturelle Teilhabe einbezieht. Der wurde im vorigen Jahr von der Global Living Wage Alliance für die städtischen Gebiete Sri Lankas mit knapp 116.000 Rupien angegeben.

hatte 2022 die schlimmste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit 1948 erlebt. Im März 2023 bewilligte der Internationale Währungsfonds (IWF) einen Notkredit von drei Milliarden US-Dollar in Verbindung mit einem auf vier Jahre angelegten Reformprogramm. Weitere Schulden in Höhe von 25 Milliarden US-Dollar sind inzwischen mit längeren Laufzeiten zu besseren Konditionen neu verhandelt worden. Die wirtschaftliche Erholung schreitet weiter voran, konstatierte sogar der IWF in seinem Zwischenbericht vom März. Klar ist aber auch, dass die damit einhergehenden Haushaltsrestriktionen keine allzu großen Sprünge zulassen.

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