»Die Jugend kann ihr Potential nicht ausschöpfen«
Interview: Richard Malone
Welche Probleme haben junge Menschen in Ghana?
Die Mieten, die Lebensmittelpreise, die Schul- und Studiengebühren sowie die Transportkosten sind hoch und steigen jedes Jahr. Die meisten jungen Leute können ihr Potential nicht ausschöpfen, weil schlicht das Geld fehlt, um Schule oder Studium zu finanzieren. Als »Boa Wo Nua« wollen wir Armut in allen ihren Formen beenden. Wir arbeiten daran, dass Menschen Fähigkeiten erwerben, um am Ende des Tages ein gutes Gehalt zu bekommen und so den Kreislauf der Armut zu durchbrechen.
Wo liegt der Ursprung Ihrer Initiative?
Auf Twi bedeutet »Boa Wo Nua« so viel wie »sich gegenseitig unterstützen«. Im ersten Studienjahr wurde mir klar, dass viele Studierende, einschließlich mir, Probleme mit EDV und Statistik hatten. Wir besaßen einfach keine Erfahrung mit Computern. Es entstand die Idee, den Stoff selbstorganisiert zu wiederholen. Wir gaben Tutorien zu den jeweiligen Kursen. 2022 haben wir so über 1.500 Studierende erreicht. Durch die Resonanz wurde uns klar: Wir mussten etwas Größeres tun. Wir haben aus den Tutorien die »Boa Wo Nua«-Initiative entwickelt. Es ist uns wichtig, dass sich die Gemeinschaft gegenseitig unterstützt.
Wie sind Sie denn an die Universität gekommen?
Nach der Schule bin ich nach Accra gezogen, um Arbeit zu suchen und Geld für mein Studium zu sparen. Ich arbeitete am Flughafen als Hausmeister und lernte dort wohlwollende Personen kennen, die mich fortan finanziell unterstützten. Ohne sie wäre ich vielleicht nicht in der Lage gewesen, zur Uni zu gehen.
Wie unterstützt »Boa Wo Nua« andere?
Wir kennen die Probleme der Studierenden, von den akademischen Anforderungen bis zum Übergang in den Arbeitsmarkt. Also organisieren wir Webinare, bei denen erfahrene Fachleute junge Menschen gratis beraten. So werden Chancen geschaffen und junge Menschen vorbereitet, diese zu ergreifen. Abgesehen davon renovieren wir Schulbibliotheken und bieten Unterstützung durch Nachhilfe und den Zugang zu Technologie an. Jugendliche brauchen Ressourcen, um ihr Potential zu entfalten.
Wie bewerten Sie den aktuellen Ausbau des Bildungssystems in Ghana?
Wir haben nach Schätzungen momentan – nur an der KNUST – um die 100.000 Studierende. Wir erweitern uns beständig in bezug auf die Infrastruktur, die Anzahl von Studierenden und Lehrpersonal sowie die Verfügbarkeit von Ressourcen. Das gilt auch für andere Bildungseinrichtungen. Es ist gut, zu expandieren, jedoch dürfen wir die Studierenden und ihre Probleme nicht vergessen.
Welche Probleme sind das?
Obwohl sich das Bildungssystem ausdehnt, haben viele junge Leute aus verschiedenen Gründen keinen Zugang zu guter Bildung. Stellen Sie sich vor: Es gibt Schulen, die bei Regen ihren Betrieb einstellen müssen, oder Schüler, die während des Unterrichts von Reptilien angegriffen werden. Außerdem sind viele nicht ausreichend auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. Ein anderes Problem ist die Korruption, die die Chancen von sozial schwächeren Milieus schmälert.
Was kann getan werden, um diese Korruption zu bekämpfen?
In unserer Arbeit müssen wir uns auch mit Behörden koordinieren. Aufgrund unserer Weigerung, mit Geld »nachzuhelfen«, ist das für uns oft schwierig. Doch wir müssen transparent und integer sein. Wenn wir diese Werte unseren Institutionen und den Menschen, die diese Institutionen prägen, einpflanzen, könnten wir die Korruption loswerden, denn sie ist nicht an Institutionen gebunden. Es sind Menschen, die Korruption praktizieren.
Ihre Initiative hat über 200 Freiwillige in ganz Ghana. Welche Projekte verfolgen sie?
Das Ziel ist, klein anzufangen, aber groß zu denken. Wir möchten in der Lage sein, alle Gemeinschaften im Land zu erreichen. Derzeit konzentrieren wir uns auf Projekte, bei denen wir jedes Jahr eine Schule auswählen, sie renovieren oder ausbauen und Lehrmittel zur Verfügung stellen.
Prince Dormenyo ist Präsident der Initiative »Boa Wo Nua«. Als erster aus seiner Familie konnte er an der Kwame Nkrumah University of Science and Technology (KNUST) studieren
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