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Aus: Ausgabe vom 01.08.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
US-Zollkrieg

Deal oder kein Deal?

EU-USA: Jüngste »Einigung« zu Zöllen laut Brüssel nicht rechtsverbindlich
Von Jörg Kronauer
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Ob der Handschlag zwischen von der Leyen und Trump Bestand hat, wird sich zeigen (Turnberry, 27.7.2025)

Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen US-Präsident Donald Trump am Sonntag die Hand schüttelte, schien die Sache zunächst klar: Die EU und die Vereinigten Staaten hatten sich auf ein neues, für die europäische Seite selten miserables Zollregime geeinigt. Exporte aus der EU sollen demnach ab dem heutigen 1. August – bei nur wenigen Ausnahmen – mit 15 Prozent verzollt werden, Stahl mit 50 Prozent; zudem sagt Brüssel zu, Investitionen in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar in den USA zu tätigen, US-Energieträger im Wert von 750 Milliarden US-Dollar zu kaufen und umgekehrt US-Importe zollfrei in die Staatenunion zu lassen. Alle waren sich einig: ein Desaster. Die Entstehung des Deals, nebenbei, war von Berlin wohlwollend begleitet worden, das mit Blick auf die aktuelle schwere Krise seiner Kfz-Industrie alles zu tun bereit war, um deren US-Geschäft nicht zu gefährden. Deshalb sprach sie sich auch kategorisch gegen reziproke Zölle aus: Diese hätten unter anderem Autos in hoher Zahl getroffen, die deutsche Firmen in den USA für den Export nach Europa produzieren. Friedrich Merz fährt einen solchen BMW.

Ein Deal also? Am Dienstag veröffentlichte die EU-Kommission die Details der Einigung. Zum einen widersprachen die Details Angaben, die wenige Stunden zuvor das Weiße Haus publiziert hatte: Irgendwer log also. Zudem vermerkte die Kommission, »die politische Vereinbarung vom 27. Juli 2025« sei »rechtlich nicht bindend«. Bald hieß es entsprechend, man sei dabei, in Verhandlungen mit US-Stellen in aller Eile ein rechtsfähiges Abkommen zusammenzustellen, nach Möglichkeit vor diesem Freitag. Ob dies gelingen würde, war bis Redaktionsschluss unklar, und das auch, weil der Druck, Verbesserungen auszuhandeln, stieg.

Unklar ist auch, wie groß die Vorteile für die USA tatsächlich sind. Die Zölle schaden der Industrie in der EU wie in allen anderen betroffenen Ländern. Das Versprechen aber, riesige Mengen an US-Energieträgern zu kaufen, ist hohl: Brüssel kann private Energieunternehmen nicht zu Importen aus einem bestimmten Land zwingen, zumal die US-Branche nur einen kleinen Teil der weltweit zugesagten Käufe bedienen könnte. Ähnliches gilt für die protzigen Investitionszusagen. Und ob die US-Industrie wirklich die gesamte Welt mit ihren Exporten überschwemmen kann, zumal dann, wenn sie für importierte Vorprodukte zollbedingt viel mehr zahlen muss als bisher, ist ebenfalls noch nicht ausgemacht. Die USA haben aller Welt mit dem Golfschläger kräftig eins übergezogen; stabilisiert haben sie ihre Dominanz aber noch nicht.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (31. Juli 2025 um 20:19 Uhr)
    Leicht wabbelig, das Ganze. Auf welchen Zeitraum beziehen sich die Investitions- und Kaufzusagen? Bei hundert Jahren könnte man damit leben ...
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (2. August 2025 um 23:17 Uhr)
      Laut anti-spiegel gelten die Kauf- und Investitionszusagen der EU für die Amtszeit von Trump (https://anti-spiegel.ru/2025/die-eu-kapituliert-bei-den-zoellen-um-die-ukraine-unterstuetzung-der-usa-nicht-zu-riskieren/), sind also innerhalb von vier Jahren umzusetzen. Ob der Deal tatsächlich nicht bindend ist, wird man hinterfragen müssen, wo der IGH auch mündliche Zusagen unter gewissen Voraussetzungen für bindened hält (https://linkezeitung.de/2025/07/17/ja-kein-zoll-nach-osten-war-voelkerrechtlich-bindend/). Gegenüber dem schwachen Russland konnte man die mündliche Zusage, die NATO nicht nach Osten zu erweitern, jahrzehntelang relativ problemlos brechen. Eine gegenüber Trump gemachte Zusage zu brechen, könnte dagegen deutlich schneller unangenehme Folgen haben.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (1. August 2025 um 13:45 Uhr)
      Bei fünf nich, Herr HH?

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