Sahel setzt auf Kernkraft
Von Jörg Kronauer
Nach Mali und Burkina Faso hat mit Niger nun auch das dritte Land der »Allianz der Sahelstaaten« (AES) seine Pläne für eine Kooperation in Nuklearbereich mit Russland auf vertragliche Grundlagen gestellt. Bei einem Besuch des russischen Energieministers Sergej Ziwiljow in Niamey unterzeichneten Repräsentanten des russischen Atomkonzerns Rosatom und des nigrischen Energieministeriums am Montag eine Absichtserklärung über die künftige Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Atomkraft. Laut Ziwiljow kann sich dies etwa auf den Bau von Atomkraftwerken, aber auch auf die Nuklearmedizin beziehen. Zudem ist die Ausbildung nigrischer Fachkräfte geplant. Ihnen sollen insbesondere russische Hochschulen offenstehen. Spezielles Interesse gilt Nigers bedeutenden Uranvorkommen, die seit jeher von dem französischen Konzern Orano ausgebeutet wurden. Mitte Juni wurde Somaïr, das traditionelle Uranabbau-Joint-Venture in Niger, an dem Orano bis dahin 63,4 Prozent hielt, verstaatlicht. Rosatom hat Interesse, die Ausbeutung der Uranminen zu übernehmen.
Bereits im Juni hatten Mali und Burkina Faso Abkommen mit Russland über eine Nuklearzusammenarbeit geschlossen. Am Rande des damaligen »St. Petersburg International Economic Forums« hatten Burkina Fasos Energie- und Bergbauminister und der Generaldirektor von Rosatom eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, die die bereits seit Herbst 2023 laufenden Gespräche über den Bau eines AKW in Burkina Faso zu einem vorläufigen Abschluss bringt. Jetzt soll Rosatom ein konkretes Angebot vorlegen. Burkina Faso gilt als eines der Länder mit der schlechtesten Stromversorgung der Welt und hofft, mit russischer Nukleartechnologie Abhilfe zu schaffen. Wenige Tage später schloss auch Mali am Rande eines Besuchs von Präsident Assimi Goïta in Moskau ein solches Abkommen. Mali will ebenfalls mittels Kernkraft seine Energieversorgung verbessern. Es liegt nahe, dass Mali und Burkina Faso, wenn die AKW-Pläne aufgehen, sich mit Uran aus Niger versorgen. Die AES bliebe freilich bei Wartung und Reparatur ihrer Kernkraftwerke von Russland abhängig.
Ihre Kooperation mit Russland intensivieren die drei AES-Staaten allerdings ohnehin. Eine wichtige Etappe war ein Treffen ihrer Außenminister Abdoulaye Diop (Mali), Karamoko Jean-Marie Traoré (Burkina Faso) und Bakary Yaou Sangaré (Niger) mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow im April in Moskau, bei dem es um einen Ausbau der militärischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit ging. Die AES-Länder, die ihre Bindungen an die frühere Kolonialmacht Frankreich und andere Staaten des Westens gekappt haben, sind auf militärische Hilfe im Kampf gegen bewaffnete Gruppen und auf ökonomische Unterstützung angewiesen. Russland wiederum erhält Zugriff auf Rohstoffe – außer auf Uran etwa auf die reichen Goldlagerstätten des Sahel –, und es kann besonders auf geostrategische Punktgewinne im Einflusskampf mit dem Westen hoffen.
Militärisch hat sich die Zusammenarbeit, wie eine aktuelle Analyse des in Dakar ansässigen »Timbuktu Institute« zeigt, mit dem Abzug der »Wagner«-Miliz aus dem Sahel im Juni und der Weitergabe des Staffelstabs an das »Afrikakorps«, das Russlands Verteidigungsministerium untersteht, verfestigt. Insbesondere in Mali sind die russischen Einheiten demnach eng an die Truppen des Gastlandes angebunden. Damit werde Russlands Einfluss gestärkt, urteilt das »Timbuktu Institute«. Gleichzeitig müsse man allerdings auch damit rechnen, dass es im Sahel vermehrt zu »indirekten Konfrontationen« mit »Akteuren wie der NATO und der Ukraine« komme. Die Denkfabrik spielt darauf an, dass im Sommer vergangenen Jahres der ukrainische Militärgeheimdienst prahlte, er habe einen Angriff von Milizen auf ein malisch-russisches Kontingent unterstützt, bei dem letzteres schwere Verluste erlitt. Die Milizen ließen sich wahlweise separatistischen oder dschihadistischen Milieus zuordnen – in der Praxis verschwimmen die Grenzen immer wieder. Dass sie in der einen oder anderen Form vom Ausland unterstützt werden – vom Westen oder auch vom Nachbarn Algerien – davon gehen im Sahel viele aus.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (30. Juli 2025 um 21:28 Uhr)Zwar gibt es in Niger reichlich Uran, aber auch viel Sonne. Die AES-Staaten sollten vor allem in Photovoltaik investieren, billiger und keine Risiken mit den nuklearen Abfällen. Wenn Russland den Uranabbau von Frankreich übernimmt, wird sich grundsätzlich nichts ändern, solange keine Wertschöpfung in diesen Ländern stattfindet.
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