Arbeitskräftemangel auf See
Von Burkhard Ilschner
Philippinische Seeleute dürfen nicht mehr auf Schiffen eingesetzt werden, die hochriskante Routen wie den Golf von Aden und das Rote Meer befahren: Mehrere Schifffahrtsportale wie Hamburgs Hansa oder Singapurs Splash247 berichteten Montag über eine entsprechende Anweisung des Department of Migrant Workers (DMW) in Manila an die im Lande lizenzierten Agenturen für maritime Besatzungen. Zugleich hat die Regierung wegen der unsicheren Verhältnisse im fraglichen Gebiet entsprechend auch an die internationale maritime Wirtschaft appelliert.
Anlass ist der Angriff jemenitischer Ansarollah (»Huthis«) auf den unter Liberia-Flagge fahrenden Massengutfrachter »Eternity C« am 7./8. Juli, der kurz darauf gesunken war. Von 22 Seeleuten (darunter 21 Philippinos) konnten nur acht gerettet werden; laut dem dänischen Portal Shipping Telegraph sind aber zehn Überlebende Geiseln der Ansarollah. Unmittelbar zuvor hatten diese auch den Bulker »Magic Seas« – ebenfalls in Liberia registriert – attackiert und versenkt. Am Sonntag erst hatten sie unter dem Schlagwort »vierte Phase« eine Eskalation ihrer »maritimen Kampagne« angekündigt: Gemeint sind damit Angriffe auf alle Schiffe (unabhängig von Flagge, Besitz oder Zielhafen), die israelische Häfen anlaufen – eine Kategorisierung, die aber Schiffahrtsexperten bereits wiederholt missachtet sahen.
Das Vorgehen des DMW könnte die globale Schiffahrt schwer treffen: Nach Angaben Manilas stellen zigtausend heimische Seeleute knapp 35 Prozent aller globalen Handelsschiffsbesatzungen. Zwar meiden führende Container-Reedereien wie MSC (Schweiz), Dänemarks Mærsk oder Hapag-Lloyd schon seit Monaten die Fahrt um Jemen und durch den Suezkanal, nehmen dafür den Umweg um Südafrika in Kauf. Aber vor allem in der Massengut- und Tankschiffahrt nutzen weiter etliche die kurze Route durch das riskante Gebiet – etwa griechische Reeder, denen auch die beiden jüngst versenkten Schiffe gehörten. Laut Hansa schätzen Branchenexperten, dass rund die Hälfte der Schiffe im Roten Meer von der DMW-Direktive betroffen sein könnte.
Klar, internationale Appelle sind unverbindlich – anders ist die Wirkung der Direktive auf den Philippinen selbst einzustufen: Die eingangs erwähnten Crewing-Agenturen gehören sehr oft ausländischen Reedern und qualifizieren heimische Seeleute für eigene Schiffe. So listet etwa die Webseite der Deutsch-Philippinischen Industrie- und Handelskammer mehrere solcher Agenturen auf, unter anderem die Doehle Seafront Crewing Inc.: Die Tochter der Hamburger Reederei Peter Döhle (PD) wirbt mit weltweiter »Bereitstellung hervorragender und hochwertiger Crewing-Dienstleistungen« für internationale Schiffahrt. Der Verband Deutscher Reeder, dessen aktuelle Präsidentin Gaby Bornheim zugleich PD-Chefin ist, bezifferte im Frühjahr 2023 die Anzahl der allein in europäischen Flotten eingesetzten philippinischen Seeleute auf rund 50.000.
Die lizensierten Agenturen unterliegen verbindlich dem Reglement des DMW. Der zuständige Minister Leo Cacdac unterstrich klar, man treffe nur »notwendige Sicherheitsvorkehrungen«. Laut Hansa müssen Reedereien, die ihre Seeleute dort rekrutieren, diesen künftig ein uneingeschränktes Rückzugsrecht gewähren, sichere Heimreise garantieren und sie mit zwei Monatsgehältern entschädigen; Verstöße könnten mit Lizenzentzug oder Bußgeldern geahndet werden. Manilas Zentralbank beziffert die Unterstützung, die in Übersee beschäftigte heimische Seeleute regelmäßig nach Hause überweisen, auf mehrere Milliarden US-Dollar.
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