Uribe schuldig gesprochen
Von Frederic Schnatterer
Das Urteil ist historisch. Erstmals ist in Kolumbien mit Expräsident Álvaro Uribe Vélez ein früherer Staatschef von einem Gericht schuldig gesprochen worden. Am Montag nachmittag (Ortszeit) verkündete die Richterin Sandra Heredia, Uribe habe nachweislich Zeugen bestochen und Prozessbetrug begangen. Das genaue Strafmaß soll am Freitag verkündet werden, dem 73jährigen drohen bis zu zwölf Jahre Haft.
Das Gericht in Bogotá sah es als erwiesen an, dass der ultrarechte Politiker über seinen Anwalt wichtigen Zeugen Bestechungsgelder angeboten hatte. Insbesondere geht es dabei um Juan Guillermo Monsalve. Der ehemalige Paramilitär sitzt im Gefängnis La Picota eine langjährige Freiheitsstrafe ab. Uribes Anwalt versuchte bei einem Besuch dort nachweislich, ihn zu einer Falschaussage gegen den linken Senator Iván Cepeda zu bewegen. Monsalve ist der Kronzeuge für den Vorwurf, Uribe und dessen Bruder Santiago seien in den 90er Jahren maßgeblich an der Gründung und Finanzierung einer paramilitärischen Einheit beteiligt gewesen.
Uribe regierte Kolumbien von 2002 bis 2010 mit harter Hand. Bis heute gilt er als wichtigster Politiker der Rechten des Landes. Während seiner Amtszeit eskalierte er den Krieg gegen die linken Guerillagruppen, wobei er auf die tatkräftige Unterstützung der USA setzen konnte. Es gilt als wahrscheinlich, dass er aktiv am Aufbau paramilitärischer Verbände beteiligt war, die neben der Guerilla auch Aktivisten und Gewerkschafter massakrierten. Ebenfalls in seine Zeit als Präsident fällt die Praxis der »Falsos Positivos«. Dabei entführten und töteten Angehörige der Streitkräfte insgesamt 6.402 meist aus armen Verhältnissen stammende junge Männer, um sie später als im Gefecht gefallene Guerilleros zu präsentieren und Belohnungen für die angeblichen »Erfolge« im Kampf gegen die Aufständischen zu kassieren. Uribes mutmaßliche Verwicklung in diese schwerwiegenden Verbrechen war nicht Teil des Prozesses.
Die Vorgeschichte des Verfahrens geht fast 13 Jahre zurück. Damals hatte Uribe vor dem Obersten Gerichtshof ein Verfahren gegen Senator Cepeda angestrengt, dem er vorwarf, eine Verschwörung gegen ihn anzetteln zu wollen. Deren Ziel sei es, ihn mit paramilitärischen Gruppen in Verbindung zu bringen, behauptete er damals. Wegen fehlender Indizien archivierte der Oberste Gerichtshof das Verfahren jedoch einige Jahre später. Aus Angst vor einer möglichen Untersuchung seiner Rolle im Aufbau paramilitärischer Verbände veranlasste Uribe daraufhin den Versuch, zentrale Zeugen zu bestechen.
Zu Beginn der fast zehn Stunden dauernden Urteilsverkündung erklärte Richterin Heredia am Montag, in dem Prozess gehe es nicht zuvorderst um »die politische Geschichte, es geht nicht um Rache«. Trotzdem betonte sie: »Die Justiz geht nicht vor der Macht in die Knie.« Senator Cepeda, der in dem Prozess als Nebenkläger auftrat, sagte nach der Urteilsverkündung: »Heute würdigen wir die Justiz als Garantin der Demokratie.« Er wird als möglicher Kandidat der im kommenden Jahr stattfindenden Präsidentschaftswahlen gehandelt. Wegen der teils heftigen Drohungen aus dem Lager der Uribe-Unterstützer kündigte der progressive Präsident des Landes, Gustavo Petro, an, die Regierung werde sich für die Sicherheit der Richterin einsetzen.
Das nun ergangene Urteil ermöglicht es, dass Uribe auch wegen der Verbrechen vor Gericht gestellt wird, die vor und während seiner Amtszeit begangen wurden. Noch am Montag kündigte seine Verteidigung an, in Berufung gehen zu wollen. Zudem warfen mehrere Verbündete des rechten Politikers dem Gericht vor, politisch motiviert gehandelt zu haben.
Ins gleiche Horn stieß auch die US-Regierung. Deren Außenminister Marco Rubio schrieb bereits vor der Urteilsverkündung auf X, Uribes »einziges Verbrechen« sei es gewesen, »dass er unermüdlich für sein Heimatland gekämpft und es verteidigt hat«. Der kolumbianischen Justiz warf er – ähnlich wie der brasilianischen im Prozess gegen Expräsident Jair Bolsonaro – »Instrumentalisierung durch radikale Richter« vor, was »einen besorgniserregenden Präzedenzfall geschaffen« habe.
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