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Aus: Ausgabe vom 29.07.2025, Seite 16 / Sport
Radsport

Es kann nur einen geben

Der Sieger der Tour de France heißt abermals Tadej Pogačar, auf Platz drei überrascht Tour-Debütant Florian Lipowitz
Von Holger Römers
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Füll doch mal was rein: Toursieger Tadej Pogačar mit neuer Champagnerschale. Es geiern Jonas Vingegaard (l.) und Florian Lipowitz (Paris, 27.7.2025)

Am Sonntag wollte Jonas Vingegaard (Team Visma – Lease a Bike) nicht mehr angreifen. Zwar bot die Schlussetappe der Tour de France Ausreißern diesmal eine echte Siegchance, da dem gewohnten Pariser Rundkurs als Hommage ans vorjährige olympische Straßenrennen der Montmartre eingegliedert worden war. Doch der Ausgleich seiner knapp viereinhalb Minuten Rückstand war praktisch unmöglich – zumal der 28jährige Däne mit offiziösen 58 Kilogramm Körpergewicht nicht prädestiniert ist fürs Kopfsteinpflaster eines knackigen Anstiegs. Statt dessen behagt so ein Terrain dem acht Kilo schwereren Tadej Pogačar (UAE Team Emirates – XRG), so dass die Angriffslust des Gesamtführenden kaum zu zügeln war, als die Rennleitung wegen Regenwetters entschied, die fürs Klassement relevante Fahrzeit schon bei der drittletzten Zielüberquerung zu stoppen. Deshalb mochte es Vingegaard immerhin trösten, dass sein 30jähriger belgischer Kollege Wout van Aert den 26jährigen Slowenen bei der dritten und letzten Fahrt über den Montmartre abschütteln und solo zum Tagessieg fahren konnte.

Dass Matteo Jorgenson, der wegen einer vorübergehenden Unpässlichkeit früh aus den Top-zehn der Gesamtwertung geflogen war, am Sonntag zu der sechsköpfigen Spitzengruppe gehörte, die knapp eine Stunde lang für Hochspannung sorgte, unterstrich die kollektive Stärke des Teams Visma. So war der Gewinn der Mannschaftswertung folgerichtig – trotz einer mitunter konfusen Taktik. Auf den letzten langen Gebirgsetappen war sie freilich so klar wie überzeugend gewesen: Am Dienstag und Donnerstag gingen Kollegen in Ausreißergruppen, um Vingegaard bei der jeweils folgenden Attacke zu unterstützen. Schade nur, dass Pogačar sich zwar isolieren ließ, aber nie abzuschütteln war. Er konnte am Mont Ventoux, wo der 24jährige Franzose Valentin Paret-Peintre (Soudal Quick-Step) den Sprint zweier Ausreißer gewann, sowie am Col de la Loze, wo der fünf Jahre ältere Australier Ben O’Connor (Team Jayco Alula) solo siegte, seinen Hauptkonkurrenten sogar durch abschließende Konterattacken leicht distanzieren. Nur auf der 93 Kilometer kurzen Etappe nach La Plagne gelang es Vingegaard, seine Nemesis auf den allerletzten Metern des Schlussanstiegs zu übersprinten – weshalb er um so mehr bereuen dürfte, dass er zu spät beschleunigte und dem 25jährigen Niederländer Thymen Arensman (Ineos Grenadiers) ermöglichte, sich mit zwei Sekunden Vorsprung als Solosieger über die Ziellinie zu retten.

Da Pogačar sonst in der Diagonalen stets überlegen war, war es nur logisch, dass er nicht nur – als bisher jüngster Fahrer – seinen vierten Gesamtsieg einstrich, sondern auch zum dritten Mal das gepunktete Trikot des besten Bergfahrers. Wenn er seinen vier Etappensiegen weitere hinzugefügt hätte, wäre sogar der Gewinn der Punktewertung möglich gewesen. Doch das Grüne Trikot sicherte sich schließlich der 24jährige Italiener Jonathan Milan (Lidl – Trek), indem er am Mittwoch im letzten Massensprint seinen zweiten Etappensieg errang. Sprintgelegenheiten waren bei dieser Frankreichrundfahrt rar gesät, weshalb es um so ironischer wirkte, dass in Gestalt des 26jährigen Australiers Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck) ein ausgewiesener Sprinter am Sonnabend auf hügeligem Terrain aus einer Ausreißergruppe zum Solosieg fuhr.

Mit seinem dritten Rang in der Gesamtwertung und dem Gewinn der Weißen Trikots für den besten jungen Fahrer hat Florian Lipowitz (Red Bull – Bora – Hansgrohe) indes die Hoffnungen übererfüllt, zu denen sein siebter Gesamtplatz bei der letzten Vuelta a España sowie zweite, dritte und vierte Ränge bei traditionsreichen einwöchigen Rennen Anlass geboten hatten. Vorübergehend wurden die Anstrengungen des 24jährigen Deutschen allerdings von der eigenen Mannschaftsleitung sabotiert: Die mochte ihren Star Primož Roglič nie zum Edelhelfer degradieren, so dass dessen Hilfe am Mont Ventoux bestenfalls ungeschickt wirkte. Auf der Königsetappe ließ der Slowene sich wiederum nicht zurückfallen, als seine frühe Flucht durch den Angriff Vingegaards am vorletzten Anstieg neutralisiert war, woraufhin der abgehängte Kollege lange alleine hinterherhechelte. Umso dringlicher wäre gewesen, Lipowitz’ Elan zu bremsen, als er nach dem Einholen der (langsamer gewordenen) Favoritengruppe am Col de la Loze prompt selbst ausriss – und erwartungsgemäß einbrach. Umso mehr konnte aber auch beeindrucken, dass er den gefährlich geschrumpften Abstand zum Überraschungvierten, dem 22jährigen Schotten Oscar Onley (Team Picnic – Post NL), am Folgetag sogleich aus eigener Kraft wieder ausbaute.

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