Ein eingeschworener Haufen
Von René Hamann
Ja, die Liebe. Die Band Wet Leg, zu deutsch etwa »das nasse Bein«, ist wieder da und hat dem Vernehmen nach ein Album über die Liebe gemacht und damit das Problem des »schwierigen zweiten Albums« vortrefflich gelöst. Jedenfalls ist es das, was überall geschrieben wird über die Band von der Isle of Wight, von der übrigens auch die guten, aber weniger erfolgreichen The Bees – zugegebenermaßen auch schon etwas älter – kommen.
Das Debüt »Wet Leg« (2022) bestach durch harmonischen Frauengesang, spöttische Texte über das Dasein in der Generation Z und durch guten, krachigen Indierock neuerer Schule. Die beiden Frontfrauen Rhian Teasdale und Hester Chambers überzeugten durch Charme, der fast ins Schüchterne reichte – während drei eher namenlose Herren im Hintergrund den Hintergrund zimmerten.
Bis zum jetzt erschienenen zweiten Album »Moisturizer« (etwa »Feuchtigkeitsspender«, die leicht eklig-sexuelle Konnotation ist beabsichtigt) hat sich so einiges getan. Teasdale ist optisch von der hübschen Schlauen zur Bitch mutiert; die brünetten Haare sind blondiert, die Kleider stark gekürzt oder gleich fortgeworfen, die Gitarre den anderen überlassen worden, die jetzt als eher namenlose Herren im Hintergrund wurden feste Bandmitglieder. Hester Chambers hingegen, die eigentliche Blonde, nahm sich freiwillig zurück und reiht sich im Hintergrund ein. Sie singt auch kaum noch auf »Moisturizer«.
Teasdale kann sich so präsentieren wie Clementine Creevy von Cherry Glazerr; als zweite bis x-te Erbin von Courtney Love. Gleichzeitig gibt sie an, verliebt zu sein, das ganze Bitchygetue kommt also gewissermaßen als Double-Bind daher, was nicht untypisch ist für die Gen Z. Und natürlich kann Teasdale machen, was sie möchte, ganz egal, ob man diesen Image-Move für gar nicht so produktiv hält oder doch, ihrer Band schadet es ohnehin nicht.
Denn die scheint ein eingeschworener Haufen zu sein, der sich, schaut man sich die neuen Videos an, durchaus selbst genügt. Landidylle auf einer Insel, Posen im offenen Buggy. »Szene« braucht es heutzutage eh nicht. Wer das Loveinterest von Teasdale ist, spielt keine Rolle, ist aber den entsprechenden Websites längst gesteckt worden (»natürlich« ist es wer Non-Binäres). Böse vermutet: Ist es jetzt noch kein Promi auf ähnlicher Stufe, dann das nächste Mal.
Und: Auch auf »Moisturizer« sind die Texte schlau und spöttisch, gleichzeitig wird meist das Tempo angezogen und hier und da auf die Pedale getreten, um dem Shoegaze Tribut zu zollen. »CPR« und »Catch These Fists« sind tolle Singles; schön schnell, angenehm zackig, direkt in die Fresse. Und doch reicht das alles musikalisch wie auch von den Vibes her nicht an das sehr gute Debüt heran. Die Highlights auf »Moisturizer« sind vorne, hinten raus wird es zu sehr Standard. »Angelica« und »Wet Dream« bleiben unerreicht. Und das mit der Liebe hatten sie in »Being In Love« ja eigentlich auch schon abgehandelt.
Trotzdem wird man über Wet Leg weiter sprechen und sie zu Recht feiern. Das schwierige dritte Album wird den Status konsolidieren, danach mag man schauen. Ach, auch Musikjournalismus ist manchmal so erwartbar.
Wet Leg: Moisturizer (Domino/Goodtogo)
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