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Aus: Ausgabe vom 28.07.2025, Seite 16 / Sport
Arbeiterolympiade

Sport ohne Krieg

Vor 100 Jahren endete in Frankfurt am Main die erste Arbeiterolympiade
Von Peter Merg
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»Unser hohes Ziel ist, durch den Sport neue Menschen zu bilden« – Jules Devlieger bei der Eröffnung der Arbeiterolympiade (Frankfurt am Main, 24.7.1925)

»Steht auf, ihr Verdammten«, »Debout les damnés« stand auf dem Plakat, das einen Arbeitersportler zeigte, der mit roter Fahne über zerbrochene Waffen und eine Flagge mit Hakenkreuz steigt. Damit war der Ton gesetzt für die erste Arbeitersommerolympiade vom 24. bis 28. Juli 1925 in Frankfurt am Main, die von der Parole »Nie wieder Krieg« geprägt war.

Ein mehrtägiges internationales Sportfest, eine Feier der Arbeiterklasse und zugleich kraftvolle Manifestation für den Frieden sollte die Arbeiterolympiade sein. Symbolträchtig war auch der Ort, hatte das Deutsche Kaiserreich doch erst 1914 einen Weltkrieg vom Zaun gebrochen. Den Ausschluss der unterlegenen Aggressoren, heute würde man Cancelling sagen, machte die internationalistische Arbeiterbewegung nicht mit. Hier waren die Deutschen Sportgenossen unter Sportgenossen. Zum Auftakt am Freitag, den 24. Juli, waren nach einer Friedensdemonstration ca. 3.000 Sportler von zwölf Verbänden ins Waldstadion eingezogen. Mit dabei waren neben den Deutschen Franzosen, Engländer, Belgier, Tschechoslowaken, Polen, Letten, Finnen, Österreicher, Schweizer – und Athleten aus Palästina. Am besten sollten sich in den kommenden Tagen die finnischen Genossen schlagen, die etwa die deutschen im Fußball besiegten (2:0), doch Medaillenspiegelfetisch gab es nicht.

Denn das Antiolympia war auch eine Kampfansage an den bürgerlichen Sport. Die 1896 von Pierre de Coubertin wiederbelebten Olympischen Spiele seien zum »Krieg mit sportlichen Mitteln« geworden und frönten dem Nationalismus, urteilte Fritz Wildung, Geschäftsführer der »Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege«, dem deutschen Dachverband. Nicht so in Frankfurt: Hier ging es nicht bloß ums Gewinnen, erst recht nicht für Nationen und ihre herrschenden Klassen. Sondern um »Völkerverständigung und -versöhnung« im Geiste von Humanismus und Sozialismus. »Wir haben alle denselben Feind: den Kapitalismus, der den Nationalismus erzeugt hat«, so Wildung. Der Sekretär der »Luzerner Sportinternationalen«, Jules Devlieger, wurde zur Eröffnung noch pathetischer: »Unser hohes Ziel ist, durch den Sport neue Menschen zu bilden, die imstande sein sollen, die neue Welt, die neue Gesellschaft zu bauen, die wir erträumen.«

Die Rahmenbedingungen in Frankfurt waren perfekt: Die Stadt war zentral gelegen, für Mitteleuropäer mit dem Zug verhältnismäßig leicht zu erreichen (aus anderen Weltgegenden war die Anreise eh zu teuer), war sozialdemokratisch-liberal regiert und bot eine frisch eingeweihte Spielstätte im Stadtwald mit Platz für 40.000 Zuschauer. Unterkünfte fanden sich in über 100 Schulen. Auf dem Programm standen Leicht- und Schwerathletik, Fußball, Schwimmen, Radrennen, Rudern, Schießen, Handball, Schlagball, Faustball und Schach. Geturnt wurde nicht nur von den Besten, sondern in Gemeinschaft: Eine Freiübung hatte bis zu 1.000 Teilnehmer. Ein »Olympia der Massen« sollte es sein. Auch Kulturveranstaltungen gehörten zum Programm, etwa eine Aufführung des Theaterstücks »Kampf um die Erde« von Alfred Auerbach im vollen Stadion.

Der Höhepunkt der Spiele war am Sonntag: Angeführt von Radfahrern zogen Tausende mit Forderungen wie »Nieder mit dem imperialistischen Krieg« durch die Straßen. 100.000 Teilnehmer hatte die Arbeiterolympiade gefunden, 450.000 Menschen ihre Veranstaltungen besucht. Eine eindrückliche Demonstration des Selbstbewusstseins einer Klasse. Bereits vom 31. Januar bis zum 2. Februar 1925 hatte es in Schreiberhau im Riesengebirge (heute: Szklarska Poręba) eine Winterolympiade gegeben, für 1926 war die erste »Spartakiade des Ostens« in Baku geplant. Da deutete sich bereits die Spaltung an. 1928 schloss der deutsche Arbeiter-Turn- und Sportbund alle Kommunisten aus, 1928 veranstaltete die Rote Sportinternationale in Moskau die erste Spartakiade. Als 1937 in Antwerpen die dritte und letzte Arbeiterolympiade ausgerichtet wurde, an der erstmals auch Athleten aus der Sowjetunion teilnahmen, war der deutsche Arbeitersport bereits zerschlagen.

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