Alchemisten des Tages: Marathon Fusion
Von Hagen Bonn
Die Sache ist simpel: Sie sitzen im Hotel Adlon Berlin und haben eine Ecke Toast vor sich. Obenauf zehn Gramm Kaviar-Degustation. Kosten: 87 Euro. Aber während Sie essen, also Energie für sich erzeugen, wächst in Ihrer Hosentasche ausreichend Geld für die Rechnung. Und darum geht es: »Marathon Fusion« – ein junges Unternehmen aus San Francisco (USA), hat ein Fusionskraftwerk entwickelt, das als Abfallprodukt bei der Energieproduktion Gold gewinnt.
»Auf dem Papier sieht es großartig aus, und jeder, mit dem ich darüber gesprochen habe, ist interessiert und begeistert«, zitiert die Financial Times Ahmed Diallo, Kernphysiker der Princeton-Universität und Kernfusionsexperte. Aber? Nun, die Firma hat das »Marathon« im Namen. Will sagen, es dauert noch ein Weilchen. Zehn Jahre, zwanzig? Und dann soll ein Kraftwerk neben der Energie, um die es zuerst geht, bis zu fünf Tonnen Gold im Jahr herstellen. Oder waren es 5.000 Kilogramm? Egal.
Wichtig ist allein, warum die Alchemisten die Stabilität des Goldmarktes gefährden wollen. Antwort: Sie müssen. Denn der kapitalistische Strombedarf ist derzeit imperial. Zur Anschauung: In Deutschland verbrauchen die 50 Millionen Privat-PC bis zu zehn Terawattstunden Energie im Jahr. Dazu: 2022 haben die Rechenzentren, Kryptowährungen und KI zusammen 460 Terawattstunden Strom verbraucht. Und da schlussfolgern wir, dass der extreme Energiehunger der KI-Revolution eine Renaissance der Kernkraft geradezu provoziert.
Der Schwarzmaler Walter Tromm (Karlsruher Institut für Technologie) sagte gegenüber dem Magazin Spiegel, das sei eine »wissenschaftliche Kuriosität«. Aha, klingt wie anno dunnemals Wilhelm II., der feierlich erklärte: »Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung.«
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vom 28.07.2025