Stillstand am Dönerspieß
Von Gerrit Hoekman
Die Ansage war deutlich: »Hier regiert die NGG!« skandierten die Beschäftigten am Freitag mittag vor der Fabrik ihres Unternehmens Birtat Meat World in Murr bei Ludwigsburg. Die NGG ist die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten. Seit Monaten findet bei Birtat ein harter Arbeitskampf statt, bei einem der größten Produzenten von Dönerspießen in Deutschland. Fast die gesamte Belegschaft warnstreikte am Freitag – bereits zum achten Mal. »Nur eine Handvoll ist reingegangen«, berichtete die zuständige NGG-Sekretärin im Raum Stuttgart, Magdalena Krüger, gleichentags im jW-Gespräch. Worum es geht: um den allerersten Tarifvertrag in der Branche der Dönerspießproduzenten.
Und: Die Geduld der NGG ist am Ende. »Am Mittwoch machen wir eine Urabstimmung«, so Krüger weiter. Sollte die Urabstimmung die erforderliche Mehrheit ergeben, dann steht einem regulären Streik nichts mehr im Weg. Zwischen 110 und 130 Beschäftigte hat der Betrieb. Sie stammen aus Bulgarien, Rumänien und der Türkei. Auch Kurden sind darunter. »Die Fluktuation ist bei den neu eingestellten hoch«, weiß Krüger. »Sie bleiben nur so lange, bis sie eine bessere Arbeit gefunden haben.«
Bis jetzt werde willkürlich vergütet, so die NGG. Das individuelle Verhandlungsgeschick und persönliche Beziehungen würden bei Birtat über die Verdiensthöhe entscheiden. Das sei weder gerecht noch transparent. Die NGG fordert 375 Euro mehr Lohn für alle. Birtat weigert sich, überhaupt einen Tarifvertrag abzuschließen. »Wir sind nach wie vor inhaltlich verhandlungsbereit. Wir erwarten aber, dass der Arbeitgeber seine Blockadehaltung gegenüber dem Abschluss eines Tarifvertrags aufgibt und ein ernstzunehmendes Angebot vorlegt«, betonte etwa Izzet Al, Mitglied der NGG-Tarifkommission, laut Ludwigshafen24.
Weil: »Wer Tag für Tag für andere schuftet, verdient faire Löhne, klare Regeln und Tarifschutz«, posteten Birtat-Werktätige auf Instagram. »Ob Fleischspieße, Marinade oder Verpackung: Ohne uns läuft nix!« Mit ihrem Lohn können sie sich an der Imbissbude selbst kaum noch einen Döner leisten. Dabei macht das Unternehmen einen jährlichen Umsatz von rund 200 Millionen Euro, verkauft seine Spieße in ganz Europa. »In eine Tarifbindung möchten wir uns nicht begeben. Dies ist auch unser gutes Recht«, meinte Inhaber Cihan Karaman jüngst gegenüber der Ludwigsburger Kreiszeitung. Karaman sitzt ferner im Vorstand des Verbandes der Dönerproduzenten Deutschlands (VDD).
Und laut NGG berichten Streikende, dass Führungskräfte von Birtat, die bei ihnen in der Unterkunft vorbeischauten, versuchen würden, sie einzuschüchtern. Die Beschäftigten sind teilweise in einem Haus untergebracht, das Birtat gehören soll. Das betrifft wohl vor allem die Arbeiter aus Rumänien und Bulgarien. Das Unternehmen greift über die Miete einen Teil des Lohns wieder ab.
Die Belegschaft lässt sich von den Sperenzchen des Birtat-Inhabers aber nicht sonderlich beeindrucken. Sie hat sich in dieser Woche an vier aufeinanderfolgenden Tagen fast geschlossen an den Warnstreiks beteiligt – trotz der finanziellen Konsequenzen. Die Beschäftigten, die erst kurz im Betrieb sind, erhalten nämlich noch kein Streikgeld, erklärte Peter Schadt, Gewerkschaftssekretär beim DGB in Stuttgart, am Donnerstag gegenüber jW. »Die haben jetzt schon kein Geld mehr für die Miete, teilweise nicht mal mehr fürs Essen.« Deshalb läuft eine private Paypal-Spendenkampagne unter dem Stichwort »Birtat Solidarität«.
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