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Aus: Ausgabe vom 23.07.2025, Seite 8 / Ansichten

Vergessener des Tages: Sigmund Jähn

Von Felix Bartels
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Wer schlummert im freien Fall? Züchtet den Mondkristall?

Wer, als Sägearbeitersohn, wird Held der Sowjetunion? Ich, Sigmund Jähn. – Sang Charlie Keller alias Franziska Herrmann alias Timo Blunck. Gut gefakt ist halb gelebt, doch es stimmt: Jähn, erster DDR-Bürger und zugleich erster Deutscher im All, wurde 1978 mit dem Orden eines anderen Landes ausgezeichnet.

Das darf kein Einzelfall bleiben, meint zumindest Sören Pellmann in einer Anfrage bei der Bundesregierung. »Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes ist in Ausnahmefällen auch posthum möglich«, begründete der Linke-MdB sein Begehren. Lästiges Detail dabei: DDR und Sowjetunion waren, anders als DDR und BRD, verbündete Staaten. Warum soll die BRD eine Person ehren, die als Schlüsselfigur sozialistischer Propaganda diente? Warum soll ein BRD-kritischer Politiker eine solche Ehrung wollen? Der Wunsch nach Anerkennung ist immens, selbst dort, wo er als Systemkritik zum Faschingsfest erscheint.

Einen Punkt hatte Pellmann dennoch. Anlass seiner Anfrage war eine »skandalösen Bundestagsrede« der Ministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt, Dorothee Bär. Sie hatte Ulf Merbold zum ersten Deutschen im All erklärt, was Pellmann als »Zeichen der Verachtung der Herrschenden gegenüber der ostdeutschen Geschichte« sieht. Die elementare, 1949 etablierte und nach 1990 beharrlich fortgestrickte Erzählung, dass deutsch gleich westdeutsch ist, gibt sich hier einmal mehr zu erkennen. Ob man den kulturellen Kolonialismus dahinter sinnvoll bekämpft, indem man um seine Anerkennung buhlt, sollte vielleicht in den Reihen der Linksfraktion noch mal diskutiert werden.

Da scheint Kunstfigur Charlie Keller naiverweise weiter. Ohrwurmwuchtig trällert sie aus: »Flieg, Raumkapsel flieg. Was für ein Sieg für die DDR. Keine Sorge, denn ich, erster Bürger im Raum leb euern Traum mit sächsischem Flair.«

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (23. Juli 2025 um 00:36 Uhr)
    Vor diesem Beitrag, geschätzter Autor (ich wette drauf, Sie haben es versucht), hätte ich Frau Bär gefragt, ob sie vor ihrer unsinnigen Behauptung ein einziges Mal mit Herrn Merbold Kontakt aufnehmen wollte? Denn es ist bekannt, dass die beiden Raumfahrer seit 1983 befreundet waren, also jahrzehntelang. Ulf hätte Sigmund niemals für eine Frau Bär verleugnet – warum auch hätte er, Freundschaft hin oder her, für Dorothee Bär behauptet, was Sigmund niemals getan hätte? (Kurze Pause: Der russische Fachbegriff Kosmonawt=Kosmonaut stimmt. Er bedeutet Raumfahrender. Der Begriff Astronaut steht für Sternfahrende und ist unsinnig, weil sie am Ziel verglühen werden.) – Ich habe Herrn Jähn nur in zwei Interviews etwas näher kennengelernt und hier vor einigen Jahren schon berichtet, dass ich seine letzte Antwort nie vergessen werde. Ich: »Waren die US-Amerikaner zuerst auf dem Mond?« Sigmund Jähn: »Ich sage nicht nein.« – Lassen Sie uns Ulf fragen, Frau Bär! War das vogtländischer Humor? Dem der Herkunft nach diese beiden Raumfahrer entstammen? (Der erste Raumfahrer aus Italien brachte die ISSPRESSO-Maschine mit – UNVERGESSEN!) – Kurze Frage zum Schluss: Welches Amt hat Frau Bär inne? Sie schreibt doch ihre Meinungen selbst?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (22. Juli 2025 um 21:33 Uhr)
    Wie heißt die Dame, die Sigmund Jähn nicht kennt? War die in der Baumschule beim Lehrer Ast im Leistungskurs Asttrologie?
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (23. Juli 2025 um 13:15 Uhr)
      Stammt ausm Blaubeerwald. – Es muss die Hölle sein, dass sie nicht einmal begriffen hat, wovon sie spricht, aber alle drüber lachen. – Neues Personal fürs Reden vonnöten? Wie stehts mit dem Denken?

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