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Aus: Ausgabe vom 23.07.2025, Seite 6 / Ausland
Nahostkonflikt

Warnung an Völkermörder

Belgien: Zwei israelische Soldaten wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in Gaza festgenommen
Von Gerrit Hoekman
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Die Verbrechen der israelischen Armee in Gaza sind bestens dokumentiert – und können daher auch irgendwann geahndet werden (8.6.2025)

Israelische Soldaten, die sich von ihrem Gemetzel im Gazastreifen erholen wollen, sollten demnächst besser einen großen Bogen um Belgien machen. Die belgische Polizei hat zwei Israelis festgenommen und verhört, die am Wochenende das Ravefestival »Tomorrowland« in Boom bei Antwerpen besuchten. Das teilte die föderale Staatsanwaltschaft in Brüssel am Montag mit. Gegen die Männer lag eine Anzeige vor, weil sie möglicherweise an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sind. Nach dem Verhör kamen die Israelis wieder frei und dürfen das Land vermutlich unbehelligt verlassen.

Die NGO Hind Rajab Foundation (HRF) hatte in Zusammenarbeit mit dem Global Legal Action Network (GLAN) am Freitag Anzeige gegen die beiden Männer erstattet. Die HRF mit Sitz in Brüssel durchsucht seit ihrer Gründung im September 2024 die sozialen Netzwerke nach möglichen israelischen Kriegsverbrechern und informiert die Behörden des jeweiligen Landes, sobald sie einreisen. Der Hintergrund: Viele Soldaten laden auf Tik Tok, Facebook und Co. Fotos ihrer Einsätze in Gaza hoch. Oft sogar mit Klarnamen. Stolz filmen und fotografieren sie sich, während sie Krankenhäuser angreifen, Wohnungen plündern oder palästinensische Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzen. Angst vor Strafe haben sie offenbar nicht.

Zu Beginn des Ravefestivals hätten sie bemerkt, »dass zwei Personen, die wir schon länger auf dem Radar haben, Bilder von ›Tomorrowland‹ teilten«, erklärte Dyab Abou Jahjah, der Gründer der HRF, am Sonnabend gegenüber VRT Nws. Die Fotos zeigten die Männer auf dem Festival. Beide sollen Mitglieder der »Givati«-Brigade sein, der eine als Reservist, der andere als Kommandant. Letzterer wird nach seiner Rückkehr vermutlich wieder in Gaza eingesetzt. »Ich fühle mich, als wäre ich wieder bei der Armee«, stand der Tageszeitung De Morgen zufolge auf hebräisch unter dem Selfie eines der beiden Männer, das ihn auf dem Campinggelände des Festivals zeigt.

»Sein Verhaltensmuster, einschließlich des Teilens von kriminellen Handlungen in sozialen Netzwerken, liefert vor dem Kontext, in dem diese Taten stattfanden, zwingende Beweise für seine Absicht, das palästinensische Volk ganz oder teilweise zu vernichten«, heißt es laut De Morgen in der Anzeige. Denn der Kontext sei der anhaltende Völkermord in Gaza. Die Polizei machte beide tatsächlich unter den 400.000 Besuchern ausfindig. Was das Verhör ergab, teilte die Staatsanwaltschaft nicht mit. Obwohl sie vermutlich nicht juristisch belangt werden, ist Abou Jahjah zufrieden: »Diese Entwicklung ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Sie zeigt, dass Belgien seine Zuständigkeit nach internationalem Recht anerkennt und die Anschuldigungen mit der gebührenden Ernsthaftigkeit behandelt. In einer Zeit, in der zu viele Regierungen schweigen, sendet diese Maßnahme eine starke Botschaft.« Sie lautet: Belgien ist kein gemütlicher Rückzugsort mehr, an dem israelische Soldaten Fronturlaub verbringen können. Zum ersten Mal sind in Europa Israelis wegen des Gazakriegs formell festgenommen und verhört worden.

Das bleibt natürlich nicht ohne Widerspruch: »Einmal mehr werden wir Zeuge einer beunruhigenden Doppelmoral. Wir sehen nicht den gleichen Eifer, wenn es um Personen aus Regimen wie dem Iran, der Türkei, China oder sogar westlichen Demokratien geht, die in ausländische Konflikte verwickelt sind. Warum wird immer Israel herausgepickt?« beklagte sich die European Jewish Association (EJA) am Montag auf Facebook. Es ist das Geheimnis der EJA, in welchem der erwähnten Staaten sich im Moment ein ähnliches Blutbad unter Zivilisten und eine Hungerkatastrophe abspielen wie in Gaza. Mehr noch: Während Russland für den Krieg in der Ukraine mit harten Sanktionen bestraft wird, kommt Israel bis jetzt weitgehend ungeschoren davon. Wenn schon, dann muss hier von Doppelmoral gesprochen werden. Sogar der belgische König Philippe brach jetzt sein Schweigen zur Situation in Gaza: »Dies ist eine Schande für die Menschheit«, sagte er in seiner Fernsehansprache anlässlich des Nationalfeiertags am Montag.

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