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Aus: Ausgabe vom 23.07.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Kriegsgefahr

Ausgangspunkt und Ziel

Immer kürzere Vorwarnzeiten: Mittelstreckensysteme erhöhen das Risiko eines globalen Krieges
Von Jürgen Wagner
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Kriegsbedarf für jede zahlungskräftige Nachfrage: MBDA bei der Flugzeug- und Rüstungsschau in Le Bourget (16.6.2025)

Bereits die im Juni 2023 vorgelegte »Nationale Sicherheitsstrategie« meldete einen dringenden Bedarf nach »abstandsfähigen Präzisionswaffen« mit hoher Reichweite an. Vorläufig ist man hier auf US-Fähigkeiten angewiesen, ob über eine direkte US-Stationierung wie zuletzt angekündigt oder als Alternative oder Ergänzung durch das nun verlautbarte Interesse am Erwerb von »Typhon«-Systemen.

Klar ist dagegen, dass die Abhängigkeit in diesem Bereich nicht von Dauer sein soll. Um sie zu beenden, wurde die Entscheidung getroffen, eine eigene europäische – vermutlich landgestützte – Mittelstreckenwaffe mit einer Reichweite zwischen 1.000 und 2.000 Kilometern zu entwickeln (»European Long-Range Strike Approach«, ELSA). Eine dementsprechende Absichtserklärung wurde im Juli 2024 von den Verteidigungsministern Frankreichs, Polens, Italiens und Deutschlands unterzeichnet (später schlossen sich noch Großbritannien, Schweden und die Niederlande an). Mit ihrer Entwicklung dürfte MBDA beauftragt werden, das Gemeinschaftsunternehmen von Airbus (Deutschland/Frankreich), BAE Systems (Großbritannien) und Leonardo (Italien).

Zum Ziel des Vorhabens ließ das französische Verteidigungsministerium verlauten: »Die ELSA-Initiative zielt darauf ab, die Fähigkeit der Unterzeichnerstaaten zur Entwicklung, Herstellung und Bereitstellung von Fähigkeiten in diesem Bereich in angemessener Zeit, zu angemessenen Kosten und in angemessenem Umfang zu verbessern. Dabei geht es sowohl darum, gemeinsam an der Erfüllung des militärischen Bedarfs an Langstreckenwaffen zu arbeiten, als auch den Ausbau der europäischen Kapazitäten in diesem Bereich zu fördern. Dadurch wird die Fähigkeit der Europäer, auf das strategische Gleichgewicht Einfluss zu nehmen, gestärkt.«

Von sieben bis zehn Jahren Entwicklungszeit ist die Rede. Zumindest für diesen Zeitraum will man direkt oder indirekt auf entsprechende US-Waffen zurückgreifen können. Dazu Verteidigungsminister Boris Pistorius: »Wir brauchen eben eine Brückentechnologie und deswegen ist diese Übergangslösung für uns wichtig, gewissermaßen eine Brücke zu bauen zwischen der angekündigten – noch von der alten Administration angekündigten – temporären Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland bis zur Fertigstellung und bis zur fertigen Entwicklung der eigenen europäischen Systeme und dafür genau dient ›Typhon‹, das ist der Plan, der dahintersteht.«

Doch auch wenn eigene Waffensysteme die der USA ablösen würden, wäre die dahinterstehende fatale Logik weiter am Werk. »Wer die machtpolitische Bedeutung der Waffensysteme positiv bewertet und deren Einsatz aber selbst bestimmen will, setzt logischerweise auf eigene Entwicklungen – auch wenn hier mit Entwicklungszeiten von mehr als zehn Jahren und Kosten in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe gerechnet wird«, so Claudia Haydt von der Informationsstelle Militarisierung. Gleichzeitig ändere »die europäische Hand am Abzug« nichts an der Aufrüstungsdynamik: »Je mehr einsatzbereite Waffen mit immer kürzerer Vorwarnzeit auf beiden Seiten vorhanden sind, um so mehr wächst das Risiko eines globalen Krieges und die Sicherheitslage verbessert sich somit nicht, sondern wird immer volatiler. Jeder Stationierungsort ist potentiell zugleich Ausgangspunkt und Ziel von Angriffen.«

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