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Aus: Ausgabe vom 21.07.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Kuba

Mangel in Kreativität verwandeln

Miserable ökonomische Kennzahlen, aber Licht am Ende des Tunnels. Zur wirtschaftlichen Lage Kubas
Von Volker Hermsdorf
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Kuba ringt um wirtschaftliche Erholung und Stabilität. Während der jüngsten Sitzungsperiode des Parlaments räumten Wirtschaftsminister Joaquín Alonso Vázquez und Premierminister Manuel Marrero ein, dass zentrale wirtschaftliche Ziele verfehlt wurden. Bereits zum zweiten Mal in Folge ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) geschrumpft – 2024 um 1,1 Prozent, nach einem Rückgang von 1,9 Prozent im Jahr 2023. Damit liegt das BIP derzeit rund elf Prozent unter dem Niveau von 2019 – vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie.

Die Ursachen der Krise sind vielfältig, doch der Hauptgrund sind laut Alonso Vázquez die seit über sechs Jahrzehnten andauernden völkerrechtswidrigen Sanktionen der USA. Deren Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade koste das Land jährlich mehr als sechs Milliarden US-Dollar. Durch sie werden der Zugang zu internationalen Kredite behindert, Zahlungen und Handelsströme blockiert und dringend notwendige Investitionen verhindert. Die US-Blockade sei »das größte Hindernis für unsere wirtschaftliche und soziale Entwicklung«, so der Minister. Die angespannte Lage auf den Weltmärkten, die Nachwirkungen der Pandemie, Erdbeben und zerstörerische Hurrikane sowie eine verschärfte Energiekrise hätten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten 2024 weiter zugespitzt.

So sank die Stromproduktion gegenüber 2019 um mehr als 6.700 Gigawattstunden, zeitweise war die Bevölkerung täglich über zehn Stunden – in einigen Regionen sogar über 20 Stunden – ohne Elektrizität. Grund dafür ist der Zustand des veralteten Elektrizitätsnetzes und ein durch US-Sanktionen weiter verschärfter Mangel an Treibstoff. Allerdings spielen auch strukturelle Schwächen bei den wirtschaftlichen Akteuren eine Rolle. Marrero hatte im Zentralkomitee der KP Kubas bereits Anfang Juli gemeldet, dass »in sensibelsten Bereichen, die unser Volk betreffen, das Erwartete nicht erreicht wurde«. Laut aktuellen Daten sind Landwirtschaft und Bergbauproduktion gegenüber 2019 um 53 Prozent, die Industrieproduktion um 23 Prozent zurückgegangen. Auch der Tourismus – traditionell ein Devisenbringer – konnte sich nicht erholen: 2024 kam nur rund eine Million Besucher, ein Bruchteil der fast vier Millionen von 2019. Als Folge des Devisenmangels mussten Importe auf lebensnotwendige Güter wie Nahrungsmittel, Medikamente und Treibstoffe konzentriert werden.

Doch trotz aller Rückschläge gibt es Licht am Ende des Tunnels. Die zuständigen Minister wiesen im Parlament auf erste Ergebnisse eines Regierungsprogramms zur »Korrektur von Verzerrungen« hin. Dazu zählen der Ausbau erneuerbarer Energien, Investitionen in Solar- und Windkraftwerke und die Wiederherstellung thermischer Kraftwerke. Solar- und Windparks sowie kleine Wasserkraftwerke sollen die Abhängigkeit von teuren Importen verringern. Auch dezentralisierte Stromerzeugung und moderne Speicherlösungen werden schrittweise eingeführt – mit Hilfe befreundeter Länder wie China. Auf wirtschaftlicher Ebene wurden 14 neue Projekte mit ausländischer Kapitalbeteiligung genehmigt, so etwa im Handel, in der Rohstoffverarbeitung, der Leichtindustrie und in der Finanzbranche. Der nichtstaatliche Sektor – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen – konnte seine Exporte um 30 Prozent steigern. Auch der Inlandstourismus erholte sich leicht. »Wir verwandeln Blockade in Erfindungsgeist und Mangel in Kreativität«, sagte Energieminister Vicente de la O Levy vor dem Parlament. Dort überwog trotz aller Probleme die Zuversicht, dass es dem sozialistischen Inselstaat gelingen werde, soziale Grundrechte wie Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherheit für alle aufrechtzuerhalten.

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