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Aus: Ausgabe vom 17.07.2025, Seite 5 / Inland
Standort Deutschland

Kanzler des Großkapitals

Friedrich Merz will Konzernbosse und Investoren anlocken – mittels Steuererleichterungen und »Sondervermögen«
Von Gudrun Giese
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Hat ein Näschen für üppige Geldtöpfe: Der Kanzler von »Schwarz-Rot« (Garmisch-Partenkirchen, 15.7.2025)

Neuerlich hat Friedrich Merz (CDU) in dieser Woche deutlich gemacht, als wessen Bundeskanzler er sich versteht: als der des Großkapitals. So warb er Dienstag abend bei einem Treffen mit Vertretern nationaler und internationaler Finanzunternehmen für Investitionen.

Dank erheblicher Steuererleichterungen und des milliardenschweren »Sondervermögens« ist es inzwischen für viele Konzerne ausgesprochen attraktiv geworden, am Standort Deutschland zu investieren. Bereits vor einiger Zeit sollen sich gleich mehrere Dutzend Großunternehmen auf eine Investitionsoffensive verständigt haben, um »den Wirtschaftsstandort Deutschland (zu) stärken«, berichtete vergangene Woche das Handelsblatt. Etwa 300 Milliarden Euro könnten in drei Jahren in neue Werke, die Modernisierung bestehender Anlagen sowie die Entwicklung neuer Produkte fließen, hatte ein »Insider« der Zeitung erzählt, wobei allerdings in der genannten Summe auch Mittel für zuvor bereits geplante Investitionen enthalten sein sollen. Federführend stünden hinter der Offensive »Made for Germany« die Chefs von Siemens, Roland Busch, der Deutschen Bank, Christian Sewing, sowie der Kommunikationsberatung FGS Global, Alexander Geiser. Eine offizielle Bestätigung für die Investitionspläne gab es nicht.

Fest steht dagegen, dass sich am kommenden Montag diverse Konzernchefs im Kanzleramt mit Merz und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) zu einem Investitionsgipfel treffen. Bereits beim Treffen mit den Finanzunternehmen am Dienstag abend hatte der Bundeskanzler für mehr Privatinvestitionen aus dem In- und Ausland geworben, damit der Wirtschafts- und Finanzstandort Bundesrepublik in Schwung komme. »Die Bundesregierung möchte dafür sorgen, dass auch wieder mehr privates ausländisches Kapital nach Deutschland fließt«, hieß es laut Reuters, zumal in letzter Zeit die ausländischen Direktinvestitionen zurückgegangen seien. Angelockt werden sollen die Investoren mit den bereits von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Steuerentlastungen für große Unternehmen sowie mit dem 500 Milliarden Euro umfassenden »Sondervermögen« für Infrastrukturausgaben.

Zugleich möchte sich Kanzler Merz offenkundig von einer erst im Dezember 2023 von der Vorgängerbundesregierung verabschiedeten Regelung wieder trennen. Die damals beschlossene globale Mindeststeuer für große Konzerne solle in Europa zumindest ausgesetzt werden, erklärte er nach einem Treffen mit der bayerischen Landesregierung am Dienstag. Merz übernahm die Position von Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU), der sich von der Mindestbesteuerung in Europa verabschieden will, »weil die Amerikaner ausgestiegen sind und dieses Konzept ohnehin keine Zukunft hat«. Merz will das Anliegen nun innerhalb des Bundeskabinetts diskutieren. Dabei hatte die damalige Ampelregierung nach Verabschiedung des Gesetzes über die globale Mindeststeuer im Dezember 2023 stolz betont, dass es sich dabei um einen »steuerpolitischen Meilenstein im Kampf gegen aggressive Steuergestaltungen« handele, da alle international agierenden Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz mindestens 15 Prozent Steuern zahlen müssen, unabhängig davon, wo die Gewinne entstehen. Dadurch sollten Gewinnverschiebungen in Niedrigsteuerländer verhindert werden. Ungefähr 140 Staaten haben sich der Regelung inzwischen angeschlossen.

Nach seinem Amtsantritt als Präsident der USA hatte Donald Trump die globale Mindeststeuer für große US-amerikanische Unternehmen für unwirksam erklärt, da er darin einen unzulässigen Eingriff in die nationale Hoheit über Finanzen und Steuern sah. Beim jüngsten Treffen der G7 in Kanada war allerdings ein Kompromiss ausgehandelt worden, wonach die US-Unternehmen zwar von der globalen Mindeststeuer ausgenommen würden, aber in einem eigenen US-System der Steuerpflicht unterlägen, um so internationale Gewinnverlagerungen zu verhindern. Anders als Kanzler Merz beurteilte Finanzminister Klingbeil den Kompromiss positiv. Die USA stünden der globalen Mindeststeuer nicht länger im Weg.

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