Zoff bei ZF
Von Oliver Rast
Irgendwann reißt der Geduldsfaden. Auch bei Achim Dietrich. Der Chef des Gesamtbetriebsrats (GBR) bei ZF mit Hauptsitz in Friedrichshafen ist in Rage. Der Grund: Am Montag und Dienstag hatten Vorstandsmitglieder des zweitgrößten Automobilzulieferers bei mehreren Betriebsversammlungen an verschiedenen ZF-Standorten Einkommenseinbußen und die Streichung aller außertariflichen Entgeltbestandteile angekündigt, berichtete der SWR online am Mittwoch. Selbst betriebsbedingte Kündigungen scheinen nicht mehr ausgeschlossen. Ein »harter Sparkurs« für die Mehrwertproduzenten, für wen auch sonst.
Das will Dietrich nicht mehr hinnehmen. Das Vertrauen gegenüber dem ZF-Vorstand sei zerstört, erklärte er am Dienstag abend gegenüber der Schwäbischen Zeitung. Mehr noch: »Es reicht jetzt. In der Belegschaft gibt es keine Bereitschaft mehr zum Verzicht.« Man könne doch nicht immer nur an die Geldbeutel der Beschäftigten gehen. Würden die nun angekündigten »monetären Einschnitte« umgesetzt, verlöre ein Beschäftigter mit 5.000 Euro Grundgehalt rund 375 Euro brutto monatlich, rechnete Dietrich auf Nachfrage vom Handelsblatt (Mittwochausgabe) vor. Die Belegschaft werde nur noch Beiträge leisten, wenn sich der Vorstand zu verlässlichen Zusagen durchringe. Das sei aber nicht absehbar, sagte Dietrich.
Deshalb wollten Belegschaftsvertreter Gespräche über »Sparbeiträge der Mitarbeiter« nicht führen. Vorerst jedenfalls. Statt dessen wird protestiert. Schon am 29. Juli, wenn der ZF-Aufsichtsrat in der Konzernzentrale in Friedrichshafen zusammenkommt. GBR-Chef Dietrich will 5.000 Kollegen mobilisieren und den Demonstrationszug anführen, bevor er in die Sitzung des Aufsichtsrats geht.
Auslöser für Unmut und Zoff waren laut Betriebsratsmitgliedern vor allem Aussagen der Personalvorständin Lea Corzilius vor der Belegschaft in der Zentrale am Montag. Denn Corzilius soll sich nicht vorbehaltlos zu der im Sommer 2024 ausgehandelten Zielvereinbarung bekannt haben, die betriebsbedingte Kündigungen bis Juni 2028 ausschließt. »Es kam die Aussage, dass die Zielvereinbarung natürlich eingehalten wird – wenn es möglich ist«, so Franz-Josef Müller, der Vorsitzende des Standortbetriebsrats.
Fest steht, ZF will im Inland 14.000 Stellen streichen. Ein Fünftel der Belegschaft mit McKinsey-Methoden allein in der Verwaltung abbauen zu wollen, »führt direkt zur Demotivierung und Überlastung der restlichen Mitarbeiter«, kritisierte Dietrich. Und dass jetzt auch die bislang gut laufende Nutzfahrzeugsparte betroffen sein soll, kann er nicht nachvollziehen. Schließlich hätten Geschäftsführung und Beschäftigtenvertreter wochenlang miteinander gesprochen. Beide Seiten wissen, dass das mit zehn Milliarden Euro verschuldete Unternehmen vor weitreichenden Umstrukturierungen steht. Richtig sei auch, 15 Standorte hätten »Ertragsprobleme«, für die Hälfte habe man aber Lösungen gefunden, meinte Dietrich – auch aufgrund zahlreicher Zugeständnisse der Belegschaft.
Was sagen ZF-Vorstände samt Chef Holger Klein? Die beklagen gebetsmühlenartig die schwachen Absatzzahlen in der Automobilindustrie. Und vernichten bereits munter Vollzeitstellen, seit Sommer 2024 sind es 5.700. Doch das reicht ihnen nicht. »Wir liegen klar unter unseren Planungen«, sagte Finanzvorstand Michael Frick kürzlich der Wirtschaftswoche. Die sinkende Zahl produzierter Autos eliminiere »ein Stück unserer eigenen Sparerfolge«.
Ja, und nun? »Die Belegschaft weiß, dass ZF auf das schwierige wirtschaftliche und geopolitische Umfeld mit weiteren Einschnitten reagieren muss. Welcher Art die Einschnitte sind, werden wir mit der Arbeitnehmervertretung besprechen«, wurde ein Sprecher am Mittwoch von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zitiert. Er ignoriert dabei geflissentlich die Ansage von Dietrich, wonach erst einmal Funkstille herrscht. Bis zur Aufsichtsratssitzung Ende des Monats, bis zum lautstarken Protestzug vor die ZF-Zentrale. Mit dem GBR an der Spitze, dessen Geduld Wut weicht.
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