Riecht nach Berufsverbot
Von Niki Uhlmann
Im Staatsdienst sind zwei Eigenschaften mindestens genauso entscheidend wie die fachliche Qualifikation, nämlich Treue und Gehorsam. Die simple Erwägung lautet: Je weniger Bedienstete ausscheren, desto reibungsloser kann der Staatsapparat herrschen. Beamte müssen folglich auf das Grundgesetz schwören und Beschäftigte des öffentlichen Diensts die Wahrung der Gesetze geloben. Einen Eid vorlesen kann allerdings auch, wer die heilige freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnt. Erwogen wird darum inzwischen, die Staatsdiener wieder härteren Gesinnungsprüfungen zu unterziehen, Mitglieder von verfassungswidrig markierten Organisationen gar gänzlich auszuschließen, im Klartext: Berufsverbote zu verhängen.
Angefeuert hat die Debatte vergangene Woche das Bundesland Rheinland-Pfalz. »Wer sich in den Dienst dieses Staats stellt, muss jederzeit loyal zur Verfassung stehen, ohne Wenn und Aber«, begründete dessen Innenminister Michael Ebling (SPD), dass Bewerber im öffentlichen Dienst künftig schriftlich erklären sollen, dass sie keiner »extremistischen« Organisation angehören oder in den vergangenen fünf Jahren angehört haben. Gemünzt wurde das Vorhaben auf die AfD, also als Abwehr rechter Umtriebe. Grundlage ist indes eine Liste des Landesverfassungsschutzes, die über die AfD hinaus auch allerhand linke Gruppierungen aufführt. Der AfD-Bundestagsabgeordnete und Vizelandesvorsitzende Sebastian Münzenmaier drehte den Spieß um, warf der Regierung einen »Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung«, ferner eine Beweislastumkehr vor.
Inzwischen, berichtete der SWR am Dienstag, beteuere die Regierung in Mainz, es gehe nicht um eine pauschale Zugangssperre und dass Zweifel an der Verfassungstreue von Bewerbern künftig im Einzelfall ausgeräumt werden könnten. Andere Bundesländer haben diesen Vorstoß jedoch zum Anlass genommen, ihrerseits entsprechende Regelungen anzustoßen, die dpa am Mittwoch zusammenfasste. So habe Schleswig-Holstein angekündigt, vor Einstellungen eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz einzuführen. Niedersachsen erwäge, im Einstellungsverfahren einen Fragebogen zu Mitgliedschaften und Unterstützung für unliebsame Organisationen einzuführen. Brandenburg macht das bei Beamten bereits seit dem vergangenen Jahr. In Bayern ist der »Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue« schon seit Urzeiten gang und gäbe.
Das Bundesinnenministerium sieht für den öffentlichen Dienst aktuell keinen generellen Einstellungsstopp von Mitgliedern der AfD vor. Am Mittwoch teilte eine Sprecherin mit, dass eine Abfrage zu Parteimitgliedschaften weder im Beamtenbereich noch bei Tarifbeschäftigten stattfinde. Auf der Frühjahrssitzung von Bund und Ländern sei eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die über Dienstrecht, Waffenbesitz und Sicherheitsüberprüfungen befinden werde, sofern die Einstufung der AfD durch den Bundesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem gerichtlich bestätigt wird. Allgemein gelte für Tarifbeschäftigte des Bundes, dass sie sich »durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen müssen«.
Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, »das Gesetz zur Beschleunigung der Disziplinarverfahren und seine Auswirkungen im Jahr 2027 zu evaluieren und es gegebenenfalls zu ändern«. Dieses hat Disziplinarklagen durch die Anordnung von Maßnahmen seitens der Disziplinarbehörden ersetzt, um »Personalhoheit und -verantwortung des Dienstherrn auch nach außen« zu stärken, wie es im entsprechenden Antrag der Ampelkoalition 2023 hieß. »In Wirklichkeit wird Schritt für Schritt an der Wiederauflage des Radikalenerlasses von 1972 gearbeitet, der schon damals zu 95 Prozent gegen Linke angewendet wurde«, warnte der Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung demokratischer Grundrechte am Montag. Besagte Linke sollten sich folglich keinen Sand in die Augen streuen lassen, zumal der Inlandsgeheimdienst sie jederzeit selbst als Verfassungsfeinde listen könnte.
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