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Aus: Ausgabe vom 16.07.2025, Seite 1 / Titel
Drohnen und Justiz

Alle Macht den Drohnen

Zwei Staatsbürger Jemens scheitern mit Verfassungsbeschwerde gegen US-Angriffe. Karlsruher Richter erteilen Persilschein
Von Kristian Stemmler
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Staatsterror am Himmel: Graffito mit einer US-Kampfdrohne an einer Mauer in Jemen (Sanaa, 5.9.2016)

Von »gezielten Tötungen« ist beschönigend die Rede, Kritiker sprechen dagegen von staatlich sanktionierten Morden. Seit Jahren setzen die USA ferngesteuerte bewaffnete Kampfflieger ein, um vermeintliche Terroristen im Ausland zu töten. Die dabei getöteten Zivilisten werden als Kollateralschaden verbucht. Seit Dienstag haben diese Einsätze von Kriegsdrohnen das Placet des höchsten deutschen Gerichts.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wies die Verfassungsbeschwerde zweier jemenitischer Staatsbürger zurück, die bei einem US-Drohnenangriff im August 2012 zwei Familienangehörige verloren. Seitdem kämpfen sie vor deutschen Gerichten darum, dass die BRD die Abwicklung der Drohnenangriffe über den US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein unterbindet – denn allein die Relaisstation dort ermöglicht die Steuerung der Drohnen im Jemen, aber auch in Afghanistan, Pakistan und Somalia.

In seiner Urteilsbegründung stellte der Zweite Senat des Gerichts den USA einen Persilschein aus. Zwar sei der Einsatz von Drohnen »zum Zwecke sogenannter gezielter Tötungen« Gegenstand »zahlreicher international wie auch in den USA kontrovers geführter Diskussionen«, erklärte die Vorsitzende Richterin Doris König. Diese Kritikpunkte reichten aber nicht aus, um »die ernsthafte Gefahr einer systematischen Verletzung des humanitären Völkerrechts und des Rechts auf Leben der Beschwerdeführer im Jemen annehmen zu können«.

Mit der Entscheidung wird ein seit über zehn Jahren anhängiger Rechtsstreit vorläufig beendet. Mit Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln hatten die Jemeniten die Bundesregierung aufgefordert, die Drohnenangriffe via Ramstein zu unterbinden. Das Gericht wies die Klage ab, die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster war teilweise erfolgreich. Das Bundesverwaltungsgericht kassierte aber dieses Urteil, dagegen wiederum richtete sich die Verfassungsbeschwerde.

Das Bundesverfassungsgericht bejahte nun zwar einen »Schutzauftrag« des deutschen Staates auch für Ausländer im Ausland. Unter bestimmten Voraussetzungen könne dieser sich zur »Schutzpflicht verdichten«, erklärte das Gericht – was hier nicht der Fall sei. Denn dafür hätte der Senat eine »systematische Verletzung« des Völkerrechts durch die USA feststellen müssen. Dass er sich dazu nicht durchringen konnte, hatte offenbar auch politische Gründe. So konstatierte der Senat, bei der Beurteilung dieser Frage seien die zuständigen deutschen Staatsorgane »maßgeblich zu berücksichtigen«. Und auch die »Bündnisfähigkeit« des Landes spiele eine Rolle.

Hochzufrieden zeigten sich das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium in einer gemeinsamen Erklärung. Man begrüße die Entscheidung, »die ein wichtiges Signal für unser außen- und sicherheitspolitisches Handeln setzt«, hieß es da. Scharfe Kritik kam dagegen von Sören Pellmann, Fraktionschef der Partei Die Linke im Bundestag. »Deutschland sollte sich generell nicht an dem völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg der USA beteiligen«, erklärte er am Dienstag gegenüber junge Welt. Das verstoße gegen die »Friedenspflicht« des Grundgesetzes. BSW-Generalsekretär Christian Leye sprach in einer Mitteilung von einem »höchstrichterlichen Offenbarungseid in Sachen Doppelmoral im Völkerrecht«. Die Bundesregierung müsse den USA »klar kommunizieren, dass sie die über Ramstein koordinierten Drohnenkriege nicht länger tolerieren wird«.

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