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In der Nati

Von Gabriele Damtew
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Deutschland am Ball, aber nützt ja nix: Am Ende steht es 1:4 gegen Schweden (Zürich, 12.7.2025)

Diesen Juli ist was los in der so beschaulichen Schweiz. Neben den Touristenströmen machen neue Fremdlinge die Alpenrepublik unsicher. Anlässlich der Fußball-EM der Frauen, der hochklassigsten Kontinentalmeisterschaft im Fußball, trauen viele Eidgenossen ihren Augen kaum. Fangemachte Märsche fluten bunt und laut blitzblanke Schweizer Straßen, um dann in vollbesetzte Stadien zu münden. Wo kommen all diese Fanatiker nur her? Was wollen sie denn ausgerechnet bei uns – hoffentlich nichts von uns?! Dann fällt bei den meisten der Franken: Joar, gits ÄM!

Einheimische Anhänger gibt’s auch. Spielt die Auswahl der Schweizerinnen, sehen alle nur noch rot, und Kuhglockengeläut führt zu Tinnitus, bis ohrenbetäubende Sprechchöre ertönen: Hopp Schwyz! Schießt das Schweizer Frauenteam gar ein Tor, was in der Vorrunde viermal gelang (das letzte führte gegen Finnland knapp ins Viertelfinale und fast in die Anarchie), hält sogar die in deutscher Wohnhaft befindliche Schweizer Komikerin Hazel Brugger ihren Töchtern die Ohren zu, so wahnsinnig ist sie schon integriert. Apropos Integration: Die Eidgenossen haben Multikulti sozusagen erfunden und über die Jahrhunderte – ganz gut getrennt voneinander – damit gelebt. In der Nati, wie die Nationalelf liebevoll genannt wird, gibt es inzwischen, wie auch bei den männlichen Kollegen, vorsichtige Feldversuche, Kontakte ganz spielerisch enger und zum gegenseitigen Nutzen zu gestalten.

So jubelnd die Schweizer Underdogs (das Wort Underbitches existiert bislang nur artifiziell), so niedergeschmettert zeigten sich die deutschen Vertreterinnen ihrer Kunst am vergangenen Sonnabend. Schon vor dem dritten Vorrundenspiel gegen Schweden für die nächste Runde qualifiziert, war dem Team bewusst, mehr anbieten zu müssen als zuletzt gegen Polen und Dänemark, um dem eigenen Anspruch auf den Titel gerecht zu werden. Woher der rührt – schwer nachvollziehbar bei der starken Konkurrenz aus Spanien, England und Frankreich. Aber nicht zu verdenken. In Deutschland bleibt man in der Sportförderung und den Medien nur interessant, solange Medaillen und Trophäen winken. Fußballerinnen hatten und haben es diesbezüglich immer schwer, überall. Trotzdem sollten sich die deutschen Frauen davor hüten, ihre Leistungen schönzureden. Negative Beispiele der Männer gibt es zuhauf. Besser: In England rasierte das dortige Frauenteam vor drei Jahren mit Erheiterung bekannte englische männliche Traumata weg und holte einfach den Titel, gegen Deutschland.

Was die deutschen Frauen nach dem 1:4 gegen Schweden brauchen, ist ein flexibles taktisches Konzept. Nicht so einfach nach den Ausfällen von Kapitänin Giulia Quinn und der roten Karte für deren Ersatz Carlotta Wamser. Fehlende Schnelligkeit ist nicht herbeizuzaubern. Trainer Christian Wüst hat bislang keinen guten Job gemacht. Die Torfrau im Turnier öffentlich zu dissen half nicht. Weder empathisch noch sympathisch noch konstruktiv. Was bislang fehlt: Plan C oder D. Im Viertelfinale gegen flinke Französinnen wird etwas Besseres als Optimismus nötig sein.

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