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09.07.2025, 12:14:16 / Sport
Boxen

»Koste es, was es wolle: Ich werde Weltmeister!«

Dritter Knockout im dritten Profifight: Kevin »KB« Schumann über seinen »Auslandseinsatz« in Mexiko samt Karriereausblick
Von Oliver Rast
Kurzer Prozess: Triumph für Kevin "KB" Schumann (l.) – chancenloser Lokalmatador Jose Guadalupe Macias (Guadalajara, 5.7.2025)
Volltreffer: Satter rechter Kopfhaken von Kevin "KB" Schumann (l.) gegen den Lokalmatador Jose Guadalupe Macias (Guadalajara, 5.7.2025)
Niederschlag: Ergebnis, wenn von Kevin "KB" Schumann (l.) einen sauberen Leberhaken setzt (Guadalajara, 5.7.2025)

Kevin, du bist zurück im Ring nach einer mehrmonatigen Wettkampfpause und hast am Sonnabend in Guadalajara in der Hauptstadt des mexikanischen Bundesstaates Jalisco gekämpft. Es war dein erster »Auslandseinsatz« als Profi und gleich noch der Hauptkampf des Abends. Ja, und du hast deinen dritten K.-o.-Triumph im dritten Profifight im Supermittelgewicht feiern können. Dabei musstest du dich kurzfristig auf einen neuen Gegner einstellen, ein Problem?

Zunächst, ich habe, Gott sei Dank, meinen dritten K.-o.-Sieg im dritten Profikampf einfahren können. Und es ist richtig, mein Manager Ryan Rickey musste kurzfristig einen neuen Gegner organisieren. Das eigentlich angesetzte Duell kam nicht zustande. Na ja, wie auch immer. José Guadalupe Macías (5 Siege, 6 Niederlagen, 1 Unentschieden), gegen den ich dann im Ring stand, war zwar boxerisch das komplette Gegenteil meines ursprünglichen Kontrahenten, aber ich denke, ein guter Profi muss mit solchen Situationen klarkommen! Das ist im Boxen nun mal gang und gäbe.

Wie war die Atmosphäre für dich in Guadalajara?

Das Publikum in Mexiko ist echt boxbegeistert, geradezu boxverrückt. Hier wird unser Sport wirklich noch wertgeschätzt. Ja, und Macías war der Lokalmatador, der Fight wurde in der Stadt groß angeteasert. Die Zuschauer standen zu 95 Prozent auf seiner Seite, er hatte ein Heimkampf in seinem Wohnzimmer. Klar, er und seine Leute haben sich den Ausgang sicher anders vorgestellt, aber ich bin ja nicht gekommen, um zu verlieren. Um gegen mich zu siegen, muss man bestens vorbereitet und in bester Form sein. Das sage ich selbstbewusst und als bodenständiger Typ.

Und wie fällt dein Fazit des Kampfverlaufs aus?

Ich bin ruhig und abwartend in die erste Runde gestartet, habe dabei aber einige Akzente gesetzt, ein paar Hände zum Körper. Relativ schnell habe ich mir so einen Eindruck von den Stärken und den Schwächen meines Gegners verschaffen können. Im weiteren Verlauf der Auftaktrunde machten sich die Körperhaken bei Macías bereits bemerkbar. In der Rundenpause hat mich mein Trainer Jessy Thompson auf zwei, drei Aspekte der Kampfführung Macsías› aufmerksam gemacht, etwa auf Lücken in der Deckung.

In Runde zwei habe ich das Tempo erhöht, aufgedreht. Ja, und nach rund zweieinhalb Minuten habe ich zwei gute Seitwärtshaken zum Kopf gelandet, meinen Gegner in Bedrängnis gebracht und mit einem sauberen Leberhaken den Sack zu gemacht. Knockout zum Ende der zweiten Runde.

Das klingt nach einer klaren Sache. Kevin, du kannst auf eine erfolgreiche olympische Boxlaufbahn zurückblicken, auf 115 Siege in 140 Amateurkämpfen. Im vergangenen Oktober hast du bei den Profis debütiert, im Frühjahr dieses Jahres einen Profivertrag bei Ryan Rickey in Florida in den USA unterzeichnet. Warum dort?

Ich habe sehr spät mit dem aktiven Boxsport angefangen. Da war ich schon 18 Jahre alt. Nicht etwa, weil ich mir Kämpfe von Olympiasiegern angeschaut habe, sondern weil mich das Profiboxen, speziell das US-amerikanische, sehr fasziniert hat. Für mich stand fest: Eines Tages werde ich Weltmeister. Koste es, was es wolle! Bei den Profis, wohlgemerkt.

Siege bei den Amateuren und eine erfolgreiche Laufbahn im olympischen Boxen waren für mich nur ein mittelfristiges Ziel. Ein Ziel, um später mal als Boxprofi in den USA durchstarten zu können. Das heißt, viele Kämpfe bei den Amateuren machen, Erfahrungen im Ring sammeln. Eine optimale Vorbereitung für meine priorisierte Karriere als Boxer bei den Profis.

Und, ganz wichtig: Mit Ryan Rickey habe ich den besten Boxmanager im US-Bundesstaat Florida. Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können. Überregional ist er ebenfalls bestens vernetzt, sogar nach Deutschland! Ich freue mich, meine Reise mit ihm fortsetzen zu dürfen.

Wie war der Schritt für dich ins Profilager, und was unterscheidet olympischen vom professionellen Faustkampf?

Bei den Amateuren hast du nur diese drei Runden, das Tempo ist entsprechend hoch. Theoretisch reicht es, wenn du die ersten beiden Runden gewinnst, dann braucht du in Runde drei nur noch darauf achten, nicht ausgeknockt zu werden. Die Schlagfrequenz ist im olympischen Boxen höher, aber nicht die Schlaghärte.

Bei den Profis hingegen geht es um die Power in den Fäusten, um die Wirkung der Schläge. Sowohl für die Punktrichter, als auch für den Gegner. Warum? Spätestens in der vierten, fünften, sechsten Runde merkst du, wie viele Körpertreffer du kassiert hast. Besonders dann, wenn die Schläge präzise plaziert waren. Also, du musst einen Profikampf taktisch klug aufbauen, die Distanz über acht, zehn oder zwölf Runden auch konditionell meistern können.

Mein Vorteil, meine boxerischen Eigenschaften aus meiner Amateurlaufbahn passen sehr gut zu den Profis, also meine Schnelligkeit, mein Reaktionsvermögen, meine technische Versiertheit und nicht zuletzt meine Schlaghärte und Explosivität.

Wie ist das: Siehst du für dich als Boxprofi in Deutschland keine Zukunft mehr? Und überhaupt, was müsste hierzulande im Profibusiness passieren, damit ambitionierte Athleten bleiben?

Das deutsche Profiboxen stirbt leider immer mehr aus. Zu Zeiten der Klitschkos, der Abrahams oder eines Felix Sturm hätte kein deutscher Boxer einen Anlass gehabt, ins Ausland zu gehen. Wir hätten vermutlich TV-Sender, die Kampfabende regelmäßig übertragen hätten, ein großes boxbegeistertes Publikum, Sponsoren und Investoren. Das alles fehlt aktuell weitgehend. Und da die Situation so ist, wie sie ist, gibt es für mich keinen plausiblen Grund, meine Karriere hierzulande fortzusetzen, zumal ich sehr gute Angebote aus dem Ausland hatte. Etwa aus England und den USA.

Wie sehen deine nächsten Pläne aus, wirst du Deutschland komplett verlassen, nicht nur sportlich?

Dazu möchte ich noch nicht allzu viel verraten, aber ich tendiere dazu, ganz in die Vereinigten Staaten zu ziehen. Das ständige Hin- und Herpendeln wird auf Dauer zu anstrengend. Mal schauen, was die Zukunft bringt. Vielleicht tut sich in den nächsten Monaten was im deutschen Profiboxen, dann sieht das ganze Bild wieder anders aus. Mal sehen.

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