Gegründet 1947 Montag, 14. Juli 2025, Nr. 160
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 14.07.2025, Seite 8 / Ansichten

Neue Ära, neue Stärke

Wirtschaftswunder mit Rheinmetall
Von Arnold Schölzel
F35_Kampfjet_Werk_vo_86498653.jpg

Etwas mühsam hält der Kanzler seine Koalition zusammen, lässt militärisch andere die Drecksarbeit machen und verspricht den Untertanen, dass demnächst alles besser wird – Stimmung und Strompreise. Besonders kämpferisch wirkt Friedrich Merz nicht, es sei denn, jemand wirft ihm das Stichwort Russland zu. Da funktionieren die Speichelreflexe wie beim Pawlowschen Hund und es fließen Euro und Waffen in breitem Strom Richtung Kiew ins Fass ohne Boden.

Zum Glück gibt es Wirtschaftskapitäne, die dem zaghaften politischen Personal vormachen, was heute ein »Marschall Vorwärts« ist. Den Beinamen soll einst der preußische Generalfeldmarschall Blücher in den napoleonischen Kriegen von russischen, also damals verbündeten Soldaten erhalten haben, als er nach der Völkerschlacht von Leipzig 1813 die geschlagenen französischen Truppen bis nach Paris verfolgte. In Armin Papperger, dem intern angeblich »V 1« genannten Konzernchef von Rheinmetall, hat Blücher einen würdigen Nachfolger gefunden: Bei Umsatz und Bestellungen von Panzern und Munition jagt ein Rekord den anderen, der Aktienkurs hat sich seit Anfang 2022 verzwanzigfacht von gut 90 Euro auf 1.845 Euro am vergangenen Freitag. Rheinmetall ist nun nach Lockheed Martin der zweitwertvollste Rüstungskonzern der Welt. Also titelte Bild am Sonntag (BamS) nach einem Besuch beim Draufgänger: »Der Panzer ist der neue Käfer«. Das neue Symbol für die bevorstehende Explosion des deutschen Wirtschaftswachstums, für das kommende Wunder, ist gesetzt.

Dank Merz und Klingbeil und ihren Geldkanonen für Kriegsgerät ist Papperger nicht mehr nur tapfer, sondern tollkühn, was ein anderes Wort für »von sich selbst berauscht« ist. Rheinmetall verhandle gegenwärtig »über die Anschaffung von 6.000 bis 7.000 Fahrzeugen«, diktierte er den BamS-Reportern. Und: Insgesamt gebe es ein Potential von Aufträgen im Wert bis 70 Milliarden Euro in den nächsten zwölf Monaten. Der Umsatz des Konzerns soll sich »bis zum Jahr 2030 auf 40 bis 50 Milliarden Euro erhöhen« – eine Verzehnfachung gegenüber 2021. Also baue Rheinmetall zehn neue Werke, auch in der Ukraine ein weiteres, wurden China-Importe gestrichen, soll die Belegschaft von 40.000 auf 70.000 wachsen wegen »Arbeitsplätzen vor Ort« und »deutschen Steuergeldern«. Demnächst soll eine halbe Million Menschen in der Rüstungsindustrie arbeiten, ein Teil der Einbrüche bei der Autoindustrie werde also ausgeglichen. Rheinmetall, resümieren die Springer-Journalisten, stehe so »für eine neue Ära der wirtschaftlichen Stärke«.

Und Trumps Zollachterbahn? »Kein Problem«, wenn einer dem US-Präsidenten sagen könne, »es sei eine Win-win-Situation«. Da spricht der Chef, dem endlich genug Staatsknete zur Verfügung steht. Jetzt müssen nur noch alle Wenns erfüllt werden, dann reißen Papperger und Co. alles hierzulande raus. Mit Panzern und Haubitzen.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.