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Aus: Ausgabe vom 11.07.2025, Seite 8 / Abgeschrieben

Migrantenverbände und Schwulen- und Lesbenverband kritisieren Verschärfung der Asylpolitik

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Kundgebung »Brandmauer statt Brandstiftung« vor der CDU-Zentrale (Berlin, 29.1.2025)

Die Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) kritisierte am Donnerstag den im Bundestag verhandelten Gesetzentwurf zur Ausweitung des Konzepts »sicherer Herkunftsstaaten« sowie zur Abschaffung des anwaltlichen Pflichtbeistands in Abschiebehaftverfahren als Angriff auf rechtsstaatliche Prinzipien und auf das individuelle Recht auf Schutz:

»Das Konzept sicherer Herkunftsstaaten widerspricht dem Kern des Asylrechts«, erklärt Karen Taylor, Kovorsitzende der BKMO. »Schutz ist ein individuelles Menschenrecht – keine Frage des Herkunftsstaates. Wer Herkunftsländer pauschal für sicher erklärt, ignoriert systematische Diskriminierung, Minderheitenverfolgung, geschlechtsspezifische Gewalt oder politische Repression, die oft nicht in offiziellen Statistiken auftauchen, aber Menschenleben gefährden.«

Gleichzeitig sieht der Gesetzentwurf vor, den verpflichtenden anwaltlichen Beistand in Abschiebehaft- und Ausreisegewahrsamsverfahren zu streichen. »Wer Menschen inhaftiert, ohne ihnen einen Anwalt zur Seite zu stellen, verlässt den Boden des Rechtsstaats«, so Taylor. »Statt Schutzverantwortung ernst zu nehmen, wird hier eine Infrastruktur der Entrechtung und Abschreckung geschaffen. Das richtet sich nicht nur gegen Geflüchtete – das trifft die Integrität unserer Demokratie im Kern.«

Die BKMO ruft die Abgeordneten des Bundestages dazu auf, diesen Gesetzentwurf entschieden zurückzuweisen. Was unser Land braucht, ist eine Rückbesinnung auf seine Grundwerte: den individuellen Schutzanspruch, das faire Verfahren und das Vertrauen in gleiche Rechte für alle. Menschenrechte dürfen kein politisches Kalkül sein – und Schutz kein Privileg.

Auch der LSVD+ – Verband Queere Vielfalt kritisierte diesen Gesetzesentwurf:

Wir stellen uns klar gegen diese erneute Verschärfung der Asylpolitik und lehnen das Gesetzesvorhaben zur Einstufung von Herkunftsstaaten per Rechtsverordnung in aller Deutlichkeit ab. In den drei Maghrebstaaten sind LSBTIQ* der Gefahr von mehrjährigen Haftstrafen, Folter durch Zwangsanaluntersuchungen und massiver Gewalt durch die Gesellschaft ausgesetzt. Länder per Rechtsverordnung als »sichere Herkunftsstaaten« zu erklären, blendet nicht nur die Lebensrealität und Verfolgungserfahrungen zahlloser (queerer) Geflüchteter aus, es ist auch zutiefst undemokratisch. (…)

Nicht ohne Grund hat sich der Bundesrat bislang gegen die Aufnahme von Marokko, Algerien und Tunesien in die Liste sicherer Herkunftsstaaten gestellt. Die geplante beschleunigte Bestimmung per Verordnung ist inakzeptabel! Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfen nur solche Staaten als »sicher« eingestuft werden, in denen alle Personen- und Bevölkerungsgruppen vor Gewalt sicher sind. (…)

Eine Einstufung als vermeintlich sicherer Herkunftsstaat bedeutet massive Einschränkungen für Asylsuchende aus diesen Ländern: Es wird unter anderem das Asylverfahren beschleunigt, die Klagefrist gegen einen negativen Asylbescheid auf eine Woche verkürzt und Schutzsuchende werden sogar aus einem noch laufenden Asylverfahren heraus abgeschoben. Dies trifft gerade auch LSBTIQ*-Geflüchtete, da sie sich oft bei der Anhörung aus begründeter Angst und Scham nicht outen und ihren triftigen Asylgrund, nämlich die queerfeindliche Verfolgung, gar nicht vortragen. (…)

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