Die Kandidatin und ihre Partei
Von Carmela Negrete
Die 51jährige Jeannette Jara war bis April Arbeitsministerin im Kabinett von Gabriel Boric und trat von diesem Posten zurück, als klar wurde, dass ihre Partei, der Partido Comunista de Chile (PCCh) sie als Kandidatin für die Vorwahlen aufstellen werde. 1999 hatte der PCCh das letzte Mal eine Frau als Kandidatin für das chilenische Präsidentenamt nominiert: Damals hieß die Bewerberin Gladys del Carmen Marín Millie. Jeanette Jara kommt aus bescheidenen Verhältnissen, konnte aber dennoch Verwaltungswissenschaften und später auch Rechtswissenschaften studieren. Seit ihrem 14. Lebensjahr ist sie Mitglied des PCCh, zeitweise war sie Gewerkschaftsführerin. Sie wuchs in der Gemeinde Conchalí im Norden Santiagos auf, traditionell eine linke Hochburg.
Als Arbeitsministerin war sie dafür verantwortlich, dass der Mindestlohn erhöht und dass ein garantiertes Mindesteinkommen für Erwerbslose eingeführt wurde. Auch die überfällige Arbeitszeitverkürzung auf 40 Stunden pro Woche sowie Maßnahmen gegen sexuelle und arbeitsplatzbezogene Belästigung tragen ihre Handschrift. Nun hat sie weitere Versprechen gemacht: Sie will eine umfangreiche Pflegepolitik einführen und die Lithiumminen verstaatlichen, außerdem den sozialen Wohnungsbau vorantreiben. Außenpolitisch zielt sie darauf, den Multilateralismus zu stärken.
Ihre Partei, der PCCh, ist eine der ältesten kommunistischen Parteien Lateinamerikas. 1912 gegründet als sozialistische Arbeiterpartei (Partido Obrero Socialista), schloss sie sich zehn Jahre später der Kommunistischen Internationale (Komintern) an und nahm offiziell den Namen Kommunistische Partei Chiles an. Anfangs organisierte sie Arbeiterstreiks und wurde mehrmals in der Geschichte Chiles verboten, zuletzt 1973 mit dem Putsch von Augusto Pinochet. Zuvor hatte die Partei die demokratische Regierung von Salvador Allende innerhalb des Wahlbündnisses Unidad Popular unterstützt. Die Unidad Popular propagierte einen friedlichen Weg zum Sozialismus und strebte die Nationalisierung der Kupferminen, eine Agrarreform und eine Erweiterung der Rechte der Bevölkerung an.
Während der Diktatur beteiligte sich der PCCh am bewaffneten Kampf, 1990 wurde die Partei wieder legalisiert. In den 2000er Jahren gewannen die Kommunisten wieder Sitze im Parlament und koalierten ab 2010 mit anderen linken Kräften in breiten Bündnissen. Seit 2021 regiert der PCCh das Land in einer linken Wahlkoalition mit Gabriel Boric an der Spitze mit. Als Kommunistin und Vertreterin des linken Flügels der Wahlkoalition verkörpert Jeannette Jara für die Rechte die »Gefahr des Kommunismus«, für die Linke dagegen steht sie für die Hoffnung auf eine echte linke Politik – so erhofft man sich von ihr, dass sie sich wirklich traut, wichtige wirtschaftliche Sektoren zu regulieren und deren Gewinne an den Staat und an die Arbeiter abzuführen. Die liberalen Medien versuchen deshalb, Jara zu diskreditieren, indem sie behaupten, sie beabsichtige, Verhältnisse wie in Kuba oder Venezuela einzuführen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (10. Juli 2025 um 13:42 Uhr)Eine Frage: Gibt es in Chile noch den MIR? Weil Sie darüber schreiben, dass es einen militärischen/gewalttätigen Widerstand gegen die Junta (beschönigend für erzreaktionäre Faschodiktatur Marke Operation Condor wie in Argentinien, Brasilien, Peru, Uruguay, Paraguay, Guatemala, Panama, Grenada – sagen Sie Stop, wenn ich mit dem Tippen aufhören soll!) gab, aber die MIR nicht erwähnen, leider. Mindestens 1500 Kämpfende der MIR sind im Widerstand gegen Heinz Kissingers Pinochetregime gestorben. Verrückt: Nur diejenigen werden gezählt, die uns als Opfer bekanntgegeben werden. Was sagt die MIR dazu? Dass Corvalan hintenrum über Operation Condor mit den argentinischen Regierenden am Tisch saß. Genau so muss es gewesen sein. Denn erst gestern traf ich Heinz Kissinger (Schönhauser Allee), der mir bestätigte, dass seines Wissens nach der Vietnamkrieg beendet ist. Da hab ich sofort rumtelefoniert: Und nun? Er ist tatsächlich vorbei! Wer hätte das gedacht!?
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Kommunistin soll führen
vom 10.07.2025