Gegründet 1947 Donnerstag, 10. Juli 2025, Nr. 157
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 09.07.2025, Seite 8 / Ansichten

Ideeller Gesamtkapitalist des Tages: T & E

Von Felix Bartels
2025-05-14T131159Z_1897438660_RC2LHEA18MBA_RTRMADP_3_VOLKSWAGEN-
Wo VW, Opel und Daimler den Ton angeben, lässt sich wohl von Autokratie sprechen

Wer Schule machen will, muss sich plätten. Die Rede etwa vom Staat als Machtinstrument der herrschenden Klasse scheint ein volkstümlicher Abguss genuin ­marxistischer Theorie, die ohne solche Verkürzungen wohl kaum Verbreitung hätte finden können. Herrschaft ist ein politischer, Klasse ein ökonomischer Begriff. Herrschende Klasse meint vielmehr: Klasse, die den Produktionsprozess dominiert, vermöge ihres Zugriffs auf Produktionsmittel, vermöge Akkumulation von Reichtum. Einfluss auf den Staat vollzieht sich in weicher Form, im Lobbyieren etwa, das nur kann, wer finanziell stark ist und ökonomische Hebel in der Hand hält. Der Staat liegt nicht in den Händen der Bourgeoise, er hat selbst Interesse daran, ihr Geltung zu verschaffen. Vom starken Kapital verspricht er sich Wachstum, vom Wachstum innere Stabilität und globale Konkurrenzfähigkeit. So bedient der ideelle Gesamtkapitalist – im volkstümlichen Denken als »Machtinstrument« verstanden – den Zweck des Kapitals, indem er dem eigenen Zweck folgt.

Dieser Mechanismus der Regulation funktioniert, weil er ideell ist, also nicht nur im Staatsapparat wirkt, sondern in die Gesellschaft ausstreut. Auch auf NGOs, zu sehen aktuell an einer Studie des lobbyierenden Verbunds Transport & En­vironment (T & E). Demnach sei »mit etwas Unterstützung der Politik«, genauer: dem »Festhalten am Verbrenner-Aus ab 2035«, »eine jährliche Produktion von 16,8 Millionen Fahrzeugen möglich«. Das werde Arbeitsplätze und globale Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Umwelt-NGOs, die sich mehr um Wirtschaft denn um Umwelt sorgen, klammern folgerichtig aus, dass das E-Auto nicht CO2-neutral sein kann, solang weiterhin vor allem fossile Quellen verkraftwerkt werden. Das zu ändern, müsste man ans Energiesystem insgesamt gehen, also zunächst mal zum ideellen Gesamtantikapitalisten werden.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Mehr aus: Ansichten