Schrecklich starker Euro
Von Lucas Zeise
In Sintra, im schönen Portugal, trafen sich Ende vergangenen Monats die Notenbanker der (westlichen) Welt. Der Präsident der US-amerikanischen Notenbank Fed, Jerome Powell, wurde von seinen Kollegen und Kolleginnen gefeiert. Denn er habe dem Wunsch seines Präsidenten im Weißen Haus, die US-Dollar-Leitzinsen zu senken, widerstanden und trotz dessen Mobbing die von der Notenbank beeinflussten Zinsen hochgehalten. Die Damen und Herren in Sintra treten verständlicherweise für einen von der jeweiligen Regierung unabhängigen Kurs ihrer Institutionen ein. Aber sie sind nicht nur auf ihre Unabhängigkeit bedacht, sondern sie machen sich ernsthafte Sorgen um die Stabilität des Dollars.
Der Euro ist in der zurückliegenden Woche weiter bis auf ein mehrjähriges Hoch von 1,18 Dollar gestiegen. Das hat wenig mit einer neuen Wirtschaftsstärke der Euro-Zone zu tun. Die gibt es nicht. Der Euro erstarkte zudem, obwohl das Zinsniveau in der EU – auch wegen der Investitionsschwäche in Deutschland, Frankreich, Italien etc. – weiter gesunken ist. Wir haben es also – da sind sich Banker, Händler und Politiker einig – nicht mit einer neuen Stärke des Euro, sondern mit einer Dollar-Schwäche zu tun. In Sintra äußerten die europäischen Zentralbanker vorsichtig Sorgen über diese Entwicklung. So angenehm die Euro-Stärke auch sei – die Importe werden billiger und bremsen damit weiter die Inflationsrate. Die war pünktlich zum Treffen in Sintra für Juni auf zwei Prozent im Jahresvergleich weiter zurückgegangen, was genau dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten Zielwert entspricht. Noch weiter soll die Inflation also gar nicht sinken. Mit Blick auf einen möglichen weiteren Anstieg des Euro sagte der EZB-Vizepräsident Luis de Guindos, »wir sollten jede Übertreibung« vermeiden.
Man kann ausschließen, dass die Zentralbanker im Frankfurter EZB-Hochhaus auch nur erwägen, den Euro durch Interventionen am Devisenmarkt, also den massenhaften Verkauf der von ihnen herausgegebenen Währung, herunterzuprügeln. Theoretisch wäre das eine leichte Übung. Aber in der jungen Geschichte der »europäischen Gemeinschaftswährung« sind Korrekturen am vom Devisenmarkt produzierten Euro/Dollar-Kurs nur zweimal, und zwar dann in Zusammenarbeit mit der Fed und der US-Regierung, vorgenommen worden.
Die Sorgen, die die europäischen Zentralbanker sich um den schwachen Dollar machen, beziehen sich ohnehin auf einen anderen Sachverhalt: Seit der Finanzkrise 2007 bis 2009 hat sich der Schwerpunkt der Empfänger internationaler Kredite von der Privatwirtschaft mehr und mehr auf die Staaten verlegt. Zugleich ist das Finanzsystem – trotz der Disruptionen im internationalen Handel – enger zusammengewachsen. Im Zuge dessen sind europäische Versicherungen und Pensionsfonds zu den Hauptgläubigern der riesigen und stark wachsenden Staatsschuld der USA geworden. Jeder Eurocent, den der Dollar fällt, schlägt sich in Verlusten von ihrem Anlagevermögen nieder. Insoweit diese Anlagen währungsgesichert sind, müssen die Verluste von spekulativen Finanzakteuren getragen werden. Ein Schwächeanfall des US-Bondmarkts, wie er sich ansatzweise nach den von Donald Trump groß angekündigten Zöllen auf Importe aus aller Welt ergab, könnte zum Anlass der nächsten Finanzkrise werden.
Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen
Siehe auch
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
-
Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (4. Juli 2025 um 21:23 Uhr)Zwar wird im Artikel zu Recht auf die Sorgen um die Dollar-Schwäche hingewiesen, jedoch fehlt eine breitere Perspektive auf die strukturellen Veränderungen im globalen Währungssystem. Der aktuelle Euro-Dollar-Kurs liegt mit 1,18 deutlich unter früheren Hochständen – etwa 2014, als der Euro zeitweise bei 1,39 lag – ohne dass dies damals als wirtschaftlich problematisch bewertet wurde. Die derzeitige Schwäche des Dollars hat weniger mit kurzfristigen Marktbewegungen zu tun, sondern vielmehr mit einem schleichenden Verlust seiner weltweiten Sonderrolle. Immer mehr Staaten, insbesondere innerhalb der BRICS-Gruppe, versuchen, den Handel untereinander nicht mehr in Dollar, sondern in Landeswährungen oder alternativen Verrechnungsmechanismen abzuwickeln. Das untergräbt langfristig die globale Nachfrage nach dem Dollar. Vor diesem Hintergrund sollten auch die Risiken für europäische Anleger, die stark in US-Staatsanleihen engagiert sind, differenzierter bewertet werden. Denn wenn der Dollar als Leitwährung weiter an Bedeutung verliert, betrifft das nicht nur Kursverluste, sondern stellt auch das globale Kredit- und Währungsgefüge infrage. Dass China in Hongkong und Shanghai alternative Goldbörsen etabliert, deutet auf eine strategische Vorbereitung für eine Währungsordnung jenseits des Dollar-Zentrismus hin. Insofern steht nicht nur der Dollar, sondern auch das gesamte westlich dominierte Finanzsystem zunehmend unter Druck. Wie sich dies beim kommenden BRICS-Gipfel in Rio konkretisieren wird, bleibt mit Spannung zu beobachten.
Ähnliche:
- jW22.03.2025
Ungläubiger Finanzmarkt
- jW21.12.2024
Dämpfer für den Aktienmarkt
- KEYSTONE/Karl Mathis/dpa02.12.2024
Machtzentrale Nationalbank
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Schutzgeld für Uncle Sam
vom 05.07.2025